Gebt mir das Happy End zurück!
Gestern im Theater gewesen. Mit der Frau, die mir vor vier Jahren ein Buch schenkte, in das sie schrieb: "...weil man für die Liebe kämpfen muss!"
In dem Buch geht's um
"Fechten. Ringkämpfe. Folter. Gift. Wahre Liebe. Hass. Rache. Riesen. Jäger. Böse Menschen. Gute Menschen. Bildschöne Damen. Schlangen. Spinnen. Wilde Tiere jeder Art und in mannigfaltigster Beschreibung. Schmerzen. Tod. Tapfere Männer. Feige Männer. Bärenstarke Männer. Verfolgungsjagden. Entkommen. Lügen. Wahrheiten. Leidenschaften. Wunder."
Daraus wird dann im Ballhaus Ost
"Ein Bad in allem, was einem sonst von Dramaturgie und Kritik um die Ohren gehauen wird."
Und das funktioniert, sehr gut sogar. Leidenschaft. Spaß. Spielfreude. Leise Töne. Laute Töne. Bewegte Bilder. Videos. Pathetische Lieder aus der Konserve. Travestie. Posing. Kindertheater. Slapstick. Schreien. Flüstern. Schlagen. Küssen.
Die Inszenierung mischt viel zu noch mehr und zeigt den Brautprinzessin-Fans im Publikum, das hier selbst Fans am Werk sind.
Und wenn die Folterszenen im zweiten Teil des Stücks aus der Phantasiewelt Florins per Kommentar in die Niederungen der letzten 75 Jahre Menschheitsgeschichte eingeordnet werden, dann passt das, ist doch das Märchen von Butterblume, Wesley und Co. aus der Hand S. Morgensterns 1973 von William Goldman, dem Drehbuchschreiber, bearbeitet und veröffentlicht worden. Damit ist es ein Buch der jüngeren Vergangenheit und so mit dieser immer in Beziehung setzbar. Und Folter ist nunmal kein Kitsch, sondern viel zu verbreitet, daran ändert auch das Vorkommen in einem Märchen nix. Sowieso sind Märchen ja Parabeln aufs menschliche Verhalten.
Derlei Brüche, in denen aus dem witzigen Märchenstück plötzlich bissige Politsatire wird, funktionieren nicht nur inhaltlich, sondern auch dank des hochkonzentrierten und lustvollen Spiels der Darsteller.
Gelungen sind auch die vielen Raffungen und Streichungen, die die Geschichte für die Bühnenfassung erfahren musste. Die Schauspieler holen ein, was nachzuerzählen nötig ist, dabei behält das Stück seine Fahrt und die Handlung bleibt flüssig, obwohl ganze Kapitel der Vorlage fehlen.
Die Inszenierung ist richtig gut. Durch bewusst gesetzte Einbrüche der Realität in die phantastische Welt passt dramaturgisch auch, [ab jetzt wird bis zum Schluss übelst gespoilert] dass das Ende plötzlich und ernüchternd kommt.
Nur, als Fan der Brautprinzessin und Kämpfer für die Liebe fühle ich mich um zumindest die Möglichkeit eines Happy Ends doch betrogen.
Sicher, genauso wie es Goldman mit Morgensterns Text machte, kann es auch Regisseur und Verfasser der Stückfassung U.M. Eichler halten:
"Nun bin ich der Bearbeiter, und ich habe ein Anrecht auf ein paar eigene Ideen."
Aber alle Guten erschießen? Es muss ja gar nicht "Und sie lebten glücklich und zufrieden bis an ihr Ende" sein (was sowieso eine perfide Formulierung ist, denn das Ende kann auch schnell und grausam kommen), ein: sie "wurden wieder gesund und erlebten noch jede Menge Abenteuer und hatten mehr als genug zu lachen." hätte es doch auch getan...
Aber ja, ich weiß schon: "Das Leben ist nicht gerecht. Es ist bloß gerechter als der Tod, das ist alles."
Hmmm...
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