Wo ist die gute Seite der Macht?
Gestern Abend fragte Anne, ob ich auf der guten Seite der Macht stünde. Die Frage tauchte im Rahmen der Debatte um Werbung in Blogs auf und veranlasst mich, mir selbst eine für mich damit zusammenhängende Frage zu stellen: Bin ich käuflich?
Ja.
Ich muss Miete zahlen, Nahrungsmittel und Kleidung kaufen. Ich will etwas Genuss. Etc. pp. Deshalb verkaufe ich meine Arbeitskraft wie ganz ganz viele andere auch.
Eine Weile lang habe ich meine Arbeitskraft an eine Zeitung verkauft. Damals habe ich für Geld geschrieben. Auch über Dinge, Dir mir Spaß machten. Sogar über Dinge, an denen ich erst durchs Schreiben für die Zeitung Spaß gefunden habe. Ich habe den Job nicht aufgegeben, weil er mich angewidert hat, sondern weil ich mein Leben und das Studium in anderen Städten weitermachen wollte und dort andere Jobs mit besseren und sichereren Arbeitsverträgen zu haben waren.
Ich habe auch gegen Bezahlung Texte für Firmen und Institutionen geschrieben. Nicht in der Zeitung, für die ich einen auf Journalist machte, sondern in Publikationen der Auftraggeber, die diese vorrangig zur Selbstdarstellung anfertigen ließen. Doch selbst da habe ich nicht das Gefühl gehabt, mich völlig verbiegen zu müssen. Sicher, gab es gerade bei diesen Arbeiten harte Diskussionen um bestimmte Aussagen oder Formulierungen die ich zu Papier brachte. Auch waren Kompromisse zwischen meinen Vorstellungen und denen der Auftraggeber nötig. Aber ich habe nie das Gefühl gehabt, ich schreibe hier etwas, was mir diametral entgegen steht.
Keine Ahnung wie das gewesen wäre, wenn meine Auftraggeber nicht mittelständische Unternehmen und Dorfvereine gewesen wären, sondern die Big Players im Business.
Jetzt schreibe ich hier weder Jubiläumsbroschüren für einen Familienbetrieb noch Artikel für die sogenannte freie Presse. Ich schreibe in mein kleines Blog.
Schon falsch. Ich schreibe in mein kleines von Google gehostetes Blog. Und die hosten die Blogspot-Blogs nicht aus reiner Menschenliebe sondern aus wirtschaftlichen Interessen. Die haben ein Profitinteresse an uns Blogspot-Bloggern. Wie die Zeitung an spannenden Artikeln und der Familienbetrieb an einer gut gemachten Imagebroschüre.
Von den einen bekam ich Papier, Notizblöcke, Bleistifte, Schreibtische oder auch Layoutprogramme zur Verfügung gestellt und dazu noch Geld. Von Google bekomme ich Webspace inklusive Traffic und Software.
Hätte ich mein Blog auf einer eigenen Domain gäb es immer noch kostenlose Blogtechnik, die ich da drauf laufen lassen könnte. Aber den Webspace (und je nach Vertrag den Traffic) müsste ich selber zahlen.
Dafür kann ich mir die Themen, über die ich hier schreibe, komplett selber aussuchen, während ich bei der Zeitung von den Redakteuren losgeschickt wurde und die Firmen die Themen vorgaben.
Auch wenn der letzte Punkt im Zweifelsfall ein immens wichtiger ist, sonderlich mehr Unterschiede sehe ich zwischen den verschiedenen Arten des für eine potentielle Öffentlichkeit Schreibens nicht.
Damals habe ich vor allem im Auftrag anderer für andere geschrieben. Aber nicht nur. Denn jeder Artikel (Theaterrezensionen und Sportberichte mehr als Firmenportraits) enthielt ja meine Sicht auf die Dinge. Heute schreibe ich vor allem von mir aus für mich und andere. Aber nicht nur. Denn Google oder der Domainhost haben auch was davon, dass ich mich im WWW breit machen will.
Ich schreibe hier, weil es Spaß macht. Weil es unzählige Themen gibt, über die ich mich auslassen kann, weil sie mich interessieren.
Ich schreibe aber auch, weil ich schauen will, wie mein Schreiben ankommt. Ob ich das Zeug dazu habe, mehr als nur Lokalzeitungstexte und launige Textchen für Geburtstagsfeiern zu fabrizieren. Graubrot ist auch ein Probierfeld für etwas, mit dem ich vielleicht mal Geld verdiene.
Sollte je ein Angebot kommen, hier gegen Geld zu schreiben, ich würde es mir überlegen. Dank der Dresche, die René und Co. in den vergangenen Tagen stellvertretend für viele bezogen haben, würde ich sehr lange überlegen.
Außer bei Lego. ;)
Und ich bin mir sicher, dass es nicht am Preis liegen würde, wann mein Überlegen zu Ende wäre. Ich verkaufe mich nicht für alles. Dinge, die mich nicht interessieren, fielen wohl raus. Dinge, die ich komplett scheiße finde, kommen überhaupt nicht in Frage. Ich müsste einen Bezug zu dem haben, was Inhalt meiner Schreibe wäre. Und die Firma dahinter sollte jetzt nicht gerade zu den Top 100 der Heuschrecken gehören und in allen Schwarzbüchern dieser Welt auftauchen, sondern vielleicht das ein oder andere ansprechende Projekt im Bereich "bessere Welt für alle" aufweisen.
Das war jetzt vor allem Selbstreflexion, um mir selber klar zu machen, wo ich stehe. Keine Ahnung, ob das wen interessiert. Aber falls hier je bezahlte Posts auftauchen, dann sage halt keiner von Euch, die Graubrot im März 2007 gelesen haben, Ihr hättet von nichts gewusst.
(Bildnachweis)
3 Kommentare:
na das klingt doch nach einer absolut gut reflektierten seite der macht. schwarz-weiß-malen geht eben auch in der blogosphäre nicht (außer für gewissen kreuzritter vielleicht) bzw. man sollte nicht die eigenen beweggründe fürs bloggen auf die anderen übertragen. irgendwie gehen immer alle automatisch davon aus, dass dieser grund bei jedem derselbe sei.
Lego, die bunteste Versuchung, seit es A-a-dsense gibt.
Liebes Brot, sei vorsichtig, nicht daß ich Dir demnächst das Blut von der Nase wischen muß (falls die Frau Deines Lebens gerade nicht zur Stelle ist), weil Dir der böse Schwarz-Weiß-Ritter mit dem Schwert eins übergebraten hat.
Ich kenne von diesem Blog jetzt zwar erst dieses Posting, aber ich würde es spontan mal zu den guten zählen ;-)
joerg
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