Vor dem Europa-Center
Wie durch Watte dringt die Welt zu mir vor. Zeitlupenartig bewege ich mich über die Betonplatten der urbanen Wüste auf die die Sonne schon im April klimagewandelte Hitze knallt. Nur ein kleines Hämmern unter der Stirn erinnert mich daran, das ich bin.
Da war was. Da war was und ich glaube, es überfordert mich. Zum Glück kann ich mich nicht erinnern. Sonst wäre vielleicht ein Tapetenwechsel vonnöten. Als ob die blaugrünen Blasen, die die Windungen meines Ihr-wisst-schon-was-ich-meine von innen auskleiden dem braunen, Gemütlickeit vortäuschenden, Papier an den Wänden des großelterlichen Wohnzimmers gewichen wäre und ich an eine Geborgenheit glaubte, die es nicht gibt.
Ich laufe über den Platz und merke, wie in Nanosekunden das Deo kapituliert im Kampf mit den von oben strahlenden und unten abstrahlenden Wärmewellen. Sie kommen auf mich zu. Fragen nett, beginnen eine Unterhaltung, geben sich als Durchreisende aus.
Der Jungspund links neben dem ballonseidenen Alphatier haut mir in die Fresse. Der Chef versenkt mit knappem Schwung seine Rechte in meiner Magengrube. Ich gehe sofort zu Boden, verbrenne mir die Handinnenflächen beim Aufschlag auf den Asphaltplatten.
Die blondierte Zicke, die vor zwei Minuten noch verliebt am Alphatier empor schaute, versucht unter ihrem Korsett Luft zu holen und rammt mir einen ihrer Stilettos in den Unterleib.
Der Mensch besteht auch aus Aggression.
Ich werde wieder aufstehen. Ich werde mich beruhigen. Ich versuche mir, Stratosphärenlieder ins Gedächtnis zu rufen. Die Stratosphäre ist die mittlere Schicht der Erdatmosphäre und liegt zwischen 11 und 50 km über der Erde.
Da finde ich nie hin.
Dann doch eher zum kalten Polar. Da müsste ich nicht mehr schreien.
Bis die Eisdecke auf ewig bricht und mir nichts blieb außer das letzte Mal so weit zu schwimmen, wie ich kann.
Ich kann nicht mehr. Die Schläge waren zu hart und die Stilettos zu spitz. Tragt mich hier weg.
4 Kommentare:
Geht's Dir auch gut, mein Junge?
Im Ernst: war's nur zu heiß oder hat Dich tatsächlich jemand zu Boden geschlagen? (Dann nenn mir Namen und Adresse, ich regele das!)
krass! Ich ahne, dir geht´s (körperlich) gut, sonst wären die anderen Posts des Tages nicht geschrieben worden. Verwirrend, ein Stück Literatur mit seinem fiktionalen Charakter in der doch eher faktual orientierten Blogosphäre zu finden. Hoffend, dass dem wirklich so ist.
Krass, weil dieser Text es schafft, mich zitternd zurück zu lassen. Allein mit meinen Ängsten. Hineingesogen in die Welt des Ichs. Ausgespuckt von den Worten, die die Macht ihrer Konnotationen ausspielen.
Die Schwerkraft ist überbewertet.
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