1.5.07

Tag der Arbeit

Mein Onkel ist zu Besuch.

Mein Onkel ist 61, gelernter Schlosser und Vater von drei Kindern. Mein Onkel hat weit über 30 Jahre gearbeitet, die meiste Zeit davon in ein und demselben Betrieb. Vor fünf Jahren machten seine Knie nicht mehr mit. Am Ende der Operationen und der Reha, als die Krankenzeit nach mehr als zwei Jahren vorbei war, haben sie ihn vor die Tür gesetzt.
Diesen Mann stellt keiner mehr ein. Er darf sich bis zur Rente an Hartz IV gewöhnen.
Jeder, der weiß, wie das bundesdeutsche Rentensystem funktioniert, weiß, dass die letzten fünf Jahre vor dem Renteneintritt die Rentenhöhe enorm pushen. Meinem Onkel fehlen genau diese fünf Jahre. Seine Rente wird mager.

Ein gestandener Mann mit 61 Jahren geht mit mir blödem Langzeitstudenten plus unseren Damen heute Abend eine Pizza essen (die in Berlin-Moabit selbst in guten Restaurants bezahlbar ist) und muss sich darauf beschränken, seinem Neffen und dessen Freundin die Getränke zu zahlen.
Oder andersrum: Nach über 30 Jahren Arbeitsleben hat er soviel Geld zur Verfügung wie ich mit meinen Studentenjobs.

Als Industrieschlosser mit drei Kindern hat das Geld für ein Eigenheim und die Ausbildung der Kinder ausgereicht. Auch hat er als Schwabe aus der tiefen Provinz immer mindestens ein Auto, meist das zweite für die Tante gehabt (die allerdings auch immer selbst verdient hat). Und in den letzten Jahren Berufstätigkeit ging der Sommerurlaub immer irgendwo ans Mittelmeer.
Bescheidener Wohlstand und eine Grundsicherung, die nicht so leicht verloren geht.
Aber wegen einem berufsbedingt kaputten Knie fünf Jahre arbeitslos zu sein und somit im Alter nochmal den sprichwörtlichen Pfennig umdrehen müssen???

Ich könnte heulen.
Toller Kapitalismus, echt.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Das ist kein Kapitalismus, das ist einfach wohlorganisierter Diebstahl.

Lebensleistung wird einfach negiert. Übrigens wird sie negiert von den Politikern und Managern die immer nach Eigenverantwortung rufen und selbst nie verantwortlich sind.

Das allerschlimmste jedoch ist, das die sich noch darüber freuen, wie fein sie deinen Onkel und Millionen anderer abgezogen haben.

Martha hat gesagt…

Sowas in der Art hatten ich auch letztens noch im Betrieb. Da überlegt man sich wirklich ob man sich weiterhin für Andere den Arsch aufreisst...