23.8.07

No Generation

Jugendbewegungen, Geheimbünde und kaderorganisationen haben ihren Reiz. Im Kollektiv kann mensch stark sein, ist nicht mehr so allein, erreicht all das, was ich will (will ich es oder wurde mir befohlen, es zu wollen?) schnell eine Massenwirksamkeit. Für die Beschreiber dieser Welt, seien es Romanciers, Kinoregisseure, Journalisten oder Wissenschaftler, dienen diese Kategorisierungen dazu die überkomplexe Welt in zwangsläufig vereinfachende (und damit immer danebenliegende) Modelle zu pressen. Kein grundsätzlicher Vorwurf, es geht nicht anders. Die Welt lässt sich nicht in einen Blogeintrag, einen Zeitungsartikel, einen Film und nicht mal zwischen zwei Buchdeckeln fassen.

Im Speziellen aber wehre ich mich gegen die Generationisierung. Ich war nicht Generation X und auch nicht "Null Bock", ich bin nicht Teil der Generation Praktikum. Zwar habe ich mir auch zu Mother Love Bone und so nem Lärm Runen in die Arme geritzt und schon einige (immer bezahlte) Praktika hinter mir.
Und natürlich habe auch ich als Kind des westdeutschen Mittelstands samstagabends Frank Elstner gesehen. Natürlich hat mich Tschernobyl wie die allermeisten anderen meines Alters geprägt. Aber Golf fahren? Gerade mal nicht.

"Ihr seid soundso" ist eine der dümmsten Formulierungen, die es gibt. Wenn sie die Alten benutzen und damit zum Ausdruck bringen wollen, dass sie ja damals ganz anders und viel radikaler und viel besser waren, dann mag das mit Mitleid überhört werden oder zur Frage reizen, warum die Welt dann immer noch so ist, wie sie ist. Wenn aber die Altersgenossen anfangen, mich und sich in Schubladen zu stecken, dann passiert genau das, was nichts bringt: Selbstreferenzialität in der Dauerschleife.

Sicher ich habe eine Idee, wie meine ideale Welt aussehen sollte. Sicher höre ich eine bestimmte Musik lieber als andere und bevorzuge bestimmte Fimstile, weshalb ich mich gewissen "alternativen" Subkulturen näher fühle als beispielsweise den Lacrosse-Spielern in ihren Cabrios und mit den CafédelMar-Compilations. Wobei ich die auch zuhause habe. Und sicher gibt es auch Lacrosse-Spieler mit gutem Filmgeschmack.
Sicher haben westdeutsche Mittelschichtskinder aus den Geburtenjahrgängen rund um das selbstgenügsame Cordsakko Illies meistenteils materielle Sicherheit und weitgehende Weltoffenheit erlebt und als einzig echtes Trauma die zerüttete Beziehung ihrer Eltern zu bearbeiten. Aber deshalb sind wir doch nicht alle wertkonservative Popper geworden.

Wer sich zu sehr selbst bespiegelt (ganz ohne diese Reflexion wird alles auch wieder fahrig und dennoch ist dieser Text ein Widerspruch in sich), schreitet nicht mehr fort. Auch wenn der beliebte Vorwurf an die Jugend "Ihr seid so unpolitisch" nie so wahr ist, wie er gerne wäre, der Wahn der Selbstdarstellung bremst politische Aktivität. Es gibt genug Baustellen auf dieser Welt und in unserer Gesellschaft, die angepackt gehören. Statt uns selbst zu feiern oder zu bemitleiden, sollten wir schauen, wie wir die anliegenden Themen anpacken wollen. Und dann finden sich projektbezogene Allianzen. Und wenn wir aufhören uns aus Prinzip doof zu finden, weil der andere die falschen Klamotten trägt, in der falschen Stadt wohnt, aus der falschen Einkommensklasse kommt, etc. pp., dann hat das mit der viel beschworenen Individualiserung funktioniert.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

das wäre jetzt echt mein thema, aber für eine diplomarbeit und nicht für einen blogkommentar.
nur kurz ein punkt in kürze.
als angehöriger der besagten wolfsburger kohorte ärgert mich wie der eigentlich rein horizontal gedachte generationenbegriff* hier plötzlich ein vertikales, ein stratifikatorisches element bekam.

generation golf war nur der hochschulreife teil meiner jahrgänge, es fällt mir auf weil das in meinem umfeld eben nicht selbstverständlich war, der rest fällt unter den tisch.
der rest hatte nichts relevantes erlebt und war als kanonenfutter der wirtschaftsgeschichte in der versenkung der werkbänke, ladentheken und büros verschwunden.

nicht das mich mit diesem teil der gesellschaft eine innige liebe verbände, bestimmt nicht.
aber gerechtigkeit auch historisch-literarische ist keine frage der zuneigung.

sie sollte es nicht sein.

die steigerungsform von herrn illes, das homerische seines namens entbehrt nicht einer gewissen ironie, seitenhieb für seitendieb, ist der herr kracht.

die angeborene herrenreiterattitüde des feinen jungen herrn läßt mich jedesmal innerlich zum schlag ausholen wenn ich von ihm oder über ihn lese.

paris hilton für den gehobenen bedarf unsere jahrgänge eben.

es ärgert, aber wundert mich nicht bei diesem familienhintergrung, das er ein recht begabter schreiber wurde, but i digress.




*generation als eine gruppe in gleicher zeitgeborener und qua schicksal, lebensumständen etc. von gleichen prägenden ereignissen betoffener.
als generationenbildend galten hier kriege, revolutionen, weltwirtschaftskrisen und ähnlich einschneidendes.

ausnahmslos alle waren davon bertoffen.das machte den kern der generationenerfahrung und des begriffes aus.

Anonym hat gesagt…

Generation So-und-So ist ganz schlimm. Genau wie Indie als Beschreibung einer Person. Nur weil sie nicht nur Indie-Musik (die ja gar nicht mehr indiependant ist) hört sondern auch sich ähnlich wie Indie-Musiker (die ja jetzt alle einen Plattenvertrag haben) kleidet.
Wir Menschen wollen einfach alles und jeden Kategorisieren. Sobald es das Life 2.0 gibt, wird das mit dem Taggen aber dann besser. Ganz sicher.

Aber ich muss zugeben. Ich kategorisiere auch. Emos. Immer wenn ich abends, meistens bereits ein paar Bier getrunken, durch die Straßen gehe und diese Emokids sehe, muss ich es ihnen einfach ins Gesicht sagen. "Hallo du Emo!"... Das ärgert die unheimlich. Und ich hab meinen Spaß...