Werbung nervt. Nervt Werbung?
Teil 2 meiner Gedanken zur Tagung "Neue Medien zwischen demokratischen
und ökonomischen Potenzialen II" am ZKM in Karlsruhe.
Rainer Meyer hat auf der Tagung berichtet, dass seine Eltern in einer Gegend wohnen, in der sich die Nachbarn dafür eingesetzt haben, dass ihre Umwelt von Werbung befreit ist. Keine Plakate nirgends. Schön. Einerseits. Andererseits hat er auch nicht verschwiegen, dass die Nachbarschaft seiner Eltern dass kann, weil sie es sich leisten können. Schön für sie. Aber wie sieht's mit jenen aus, die sich das nicht leisten können?
Im Internet kann es sich eigentlich jeder von uns leisten, Werbung wegzuklicken oder Adblocker einzusetzen oder auf Werbeseiten erst gar nicht draufzugehen. Andererseits ist Werbung eine Einnahmequelle für diejenigen, die ins Internet schreiben.
Sollte ich mich dazu entschließen, den Rest meines Lebens nur noch Bloggen zu wollen, muss ich immer noch irgendwo Geld für Nahrung, Kleidung, Wohnung, Computer und Internet herbekommen. Wie mache ich das?
Ich könnte Werbung schalten. Wenn denn jemand Werbung bei mir schalten will. Ich glaube aber nicht, dass potente Werbende auf einem Blog Werbung schalten, dass wie dieses hier das Label "linksextrem" (rechts oben in der Sidebar) vor sich herträgt und in dem der Autor berichtet, was er als Demonstrant gegen den G8-Gipfel erlebt hat. Vielleicht ist es möglich, dass ein Medium wie eine Zeitung oder ein Fernsehsender Werbeschaltungen bekommt UND kritisch über den Kapitalismus und seine Folgen schreibt. Aber bereits ein flüchtiger Vergleich der Werbung in der taz und der FAZ zeigen, wo die dickeren Anzeigen abgedruckt werden.
Ich glaube also, Werbung funktioniert nur bei denen, die nicht allzu kritisch mit den Werbenden umgehen (eine Binsenweisheit, ich weiß). Werbung in Blogs mag dem ein oder anderen Blogger die Miete refinanzieren. Und schafft so eine Zweiklassengesellschaft in Blogdorf. Wer systemimmanent bloggt, kann vielleicht Geld über Werbung verdienen. Kritische Blogger müssen sich anders finanzieren. Werbung grenzt aus, ganz unabhängig davon, ob Werbung den Leser nervt oder schlechte Konzerne Werbung schalten.
Nichtsdestotrotz kann ich Blogs mit Werbung lesen, wenn die Werbung das Blogkonzept nicht derart beeinflusst, dass ich mit den Beiträgen nichts mehr anfangen kann. Ein Photoblog mit Tierfotos ist gut, wenn die Tierfotos spannend sind, da stört mich kein Banner des Kameraherstellers oder ähnliches. Ein Selbstdarstellungsblog eines Clowns bleibt witzig, auch mit Werbeaktionen, solange die Show witzig bleibt.
MC Winkel bietet die große Rampensaushow. Das ist nie politisch oder gesellschaftlich relevant. Das ist manchmal auch nur langweilig, oft aber urkomisch und unterhaltend. Genau das hat er auch in Karlsruhe bewiesen. Er macht eine Show, die ihre Anhänger findet. Und die Show macht er um sich und auch um Produkte. Er hat noch nie etwas anderes behauptet. Da wurde nichts unglaubwürdiger dadurch, dass er bei irgendeiner Aktion mit irgendeinem Sponsor zusammengearbeitet hat. Unglaubwürdig würde er, wenn er die Clownshow für einen Sponsor aufgeben würde. Das ist noch nicht passiert. Punkt für ihn.
Er hat ein Produkt, dass sich verkaufen lässt. Das Produkt ist die Selbstinszenierung als Clown. Wenn bei Aktionen ein Sponsor im Hintergrund dabei ist, sollte er das der Transparenz wegen und wohl auch de jure tun. Hat er nicht immer sofort getan. Das ist ihm zurecht vorgeworfen worden. Wäre gut, wenn er das in Zukunft anders hält. Seine Show kann man mögen oder auch nicht. Vorwerfen kann man sie ihm nicht. Wer's nicht mag, sollte es ignorieren.
Ich hatte ja die irrige Hoffnung, etwas Statistik zu seinem Geschäftsmodell geliefert zu bekommen. Aber warum sollte er die Zahlen rausrücken? Er ist keine AG, die ihren Aktionären erklären muss, wie sie läuft. Auf Anfrage hat er immerhin gesagt, dass er nicht soviel bekommt, dass er davon so leben kann, wie er es mit seinem Jobgehalt plus Werbung kann. Also wird nicht mal eine Rampensau durch Werbung reich beim Bloggen.
Wie sollen es dann andere werden? Keine Ahnung.
Und damit nochmal zurück zur Frage, ob Werbung auch auf "kritischen" Blogs geschaltet wird. Google-Ads hat da einen wunderbaren Vorteil. Die werden nach Schlagwörtern aus den Blogbeiträgen geschaltet und nicht, weil eine werbewillige Firma ein Blog für geeignet für die eigene Werbung hält. Sollte ich also einst riesige Mengen von Besuchern hier her ziehen, könnte ich mit derart generierter Werbung weiterhin schreiben, was ich will. Das funktioniert bei Werbekonzepten, die dem Werbenden offen lassen, ob sie bei mir werben oder nicht, nicht. Sollte ich mich einst berühmt geschrieben haben, mag vielleicht jemand viel Geld dafür bieten, dass ich meinen Namen für ihn hergebe. Aber ziemlich sicher folgen dem Angebot dann Bedingungen, die meine Inhalte verändern. Das muss man mitmachen wollen. Das müssen die Leser mitmachen wollen. Ich habe meine Zweifel, ob das funktioniert.
Unabhängig davon: wenn nicht mal ein werbeaffines Blog wie das vom Winkel richtig dicke Kohle abwirft, wie sollen das andere tun, solange unsere Blogs einen Leserkreis haben, der immer noch um ein vielfaches kleiner ist, als der der meisten seit Jahren kriselnden Printmedien?
Werbung kann nerven, muss aber nicht. Aber in ihr die Chance einer Professionaliserung der Blogosphäre zu sehen, halte ich seit den Vorträgen vergangenen Freitag von Uwe Hochmuth, Mathias Winks und Peter Turi am ZKM für einen ganz großen Fehler. Blogs sind selbst in ihrer Summe ein Nischenmedium mit viel zu wenig Konsumenten, als dass sich Werbung in der Breite lohnt. Desweitern bleibe ich dabei, Werbung benachteiligt kritische Stimmen.
Ich glaube grundsätzlich (und mit vielen Einschränkungen, was den großen Markt angeht) daran, dass Konkurrenz nötig ist für gute Produkte. Solange es diese Konkurrenz gibt, muss jeder schauen, wie seine Ware unters Volk kommt. Das weiß auch Rainer Meyer, der auf seinem Blog bis heute für seinen Roman wirbt.
Werbung gehört zum Geschäft. Und wenn ich morgen das Angebot bekäme, für einen guten Zweck Dinge zu versteigern und darüber auf einem PR-Blog zu schreiben, würde ich das wahrscheinlich machen. Und auch guten Gewissens einen Aufwandsentschädigung dafür einstreichen. Solange ich nicht in meinem Blog mehr als einen (in Zahlen: 1) Hinweis darauf schreiben müsste. Wenn ich ein PR-Blog für bspw. ein gutes Restaurant (für Spielkonsolen kann ich mich jetzt nicht begeistern, aber könnte ich, wäre auch das eine Option) gegen Geld befüllen dürfte, ich würde es tun. Wenn ich etwas verkaufen wollen würde, würde ich es hier kundtun. Vielleicht werde ich auch irgendwann einmal Google-Ads oder ähnliches hier einbauen, wenn ich das Geld daraus aus Ermangelung anderer Quellen nötig brauche. Aber für Werbung den Inhalt hier ändern, sehe ich nicht ein.
Blogs mit Werbung lese ich, solange mir die Beiträge etwas sagen. Das darf auch reine Show sein. Über gut gemachte Werbekampagnen freue ich mich auch weiterhin, ganz gleich ob sie im Kino, in der Zeitung, an Plakatwänden oder in Blogs stattfinden, und weiß dennoch um die Problematik von Werbung an sich und bin oft genug genervt von zuviel Werbung in der Stadt. In einer gänzlich werbefreien Welt wäre es langweiliger. Aber von allem gibt es ein Zuviel. Und, lieber MC, deine Shopperbox in der Sidebar ist meiner Meinung nach ein solches Zuviel. Die ist langweilig gemacht, nervt dank der ablenkenden Animation und ist nicht Teil Deiner Show.
Weil ich glaube, dass es viele lesenswerte Blogs gibt, die noch werbeunaffiner sind als meines, erscheint mir eine Professionalisierung von Blogs durch Werbeschaltungen als ein Konzept, dass nur denen hilft, die den Spielregeln der Werbebranche folgen. Aber nicht als eines, dass es grundsätzlich allen ermöglicht, mit persönlichem und unverfälschtem Bloggen die Brötchen zu verdienen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen