25.10.06

Schizophren

weil hier nur ich bestimm wohin ich geh wo ich beginn
bestimm die dinge die ich glaube und auf was ich mich besinn
denn ich steh selber mittendrin du kannst in meinem ding den sinn nicht sehn
denn nur ich weiß das ich bin was ich bin und nicht – schizophren

(F4)

Das ist für alle Gesunden da draußen in der Freiheit:

Verrückt sein, heißt nichts anderes als nicht mehr am richtigen Platz stehen. Aber wer bestimmt wo richtig ist? Ich selbst? Wenn ich das Gefühl habe, nicht mehr richtig zu stehen, dann sollte ich Hilfe suchen. Meist aber werden Menschen von anderen als verrückt bezeichnet. Weil ihre Reibungen mit der Umwelt zu heftig sind. Oder weil sie schlicht nicht in die Umgebung passen. Jemandem zu attestieren, dass er/sie nicht mehr in die Umgebung „bürgerliche Gesellschaft“ passt, ist Aufgabe der Psychiatrie, sofern sie gerufen wird, jemanden gegen den eigenen Willen zu beurteilen. Das aber ist ein extrem heikler Vorgang. Denn er braucht als Vorraussetzung nicht nur ein schier unmenschliches Einfühlungsvermögen, nein, er beruht auch auf der Annahme, dass die Gesellschaft (die den „Patienten“ als verrückt eingestuft haben möchte) gesund ist. Ist sie das? Ich zweifle. Eine Gesellschaft, die immer mehr Solidarität dem Wettbewerb opfert, bietet nicht sonderlich viel Geborgenheit für die/den EinzelneN. Mensch wird allein gelassen. Und wer dann nicht funktioniert wird aussortiert. Sicherlich gibt es Menschen, die derart schlecht funktionieren, dass sie eine Gefahr für die Lemmingherde darstellen. Aber: Wer die aktuelle gesellschaftliche Situation nicht zu 100% gut findet, sollte diesen Menschen zugestehen, dass sie aus guten Gründen krank sind und mehr an den Verhältnissen ändern als an den Menschen. Und vor allem sollten wir uns stets dessen gewahr sein, dass die Etikettierung „geistig krank“ immer auch zur Waffe werden kann gegen unliebe Individuen. Die psychiatrische Expertise beruht nun mal leider auf Interpretation und nicht auf Fakten. Menschen und ihr psychischer Zustand werden eingeschätzt. Dabei kann es zum einen immer mal wieder unfreiwillig zu Fehleinschätzungen kommen. Zum andern ist das aber auch die Chance für alle überforderten oder böswilligen oder ängstlichen Systemtreuen, eine unbequeme Person schlecht zu reden. Und wer genug emsige Feinde hat, wird auch genug Material gegen sich ausgebreitet finden, dass den Anschein erweckt, dass da veritable Macken sind.
Weiterführendes gibbet hier: cosmocroc

Zur Klarheit: In dieser Welt gibt es genug Gründe, krank zu werden. Und es gibt gute Hilfe. Die kann (so will ich weiter hoffen) auch psychiatrisch sein. Aber lasst sie bitte diejenigen, die sie annehmen wollen, selbst suchen!

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