20.12.06

Das hat sich gewaschen

Oh Mann.
Als ich am Samstag www.waschenundrasieren.de registrierte, um diese Domain dann auf die hier zusammenkommenden Posts zum Thema Arbeit und Einkommen umzuleiten, wollte ich witzig sein.
Ich dachte, dass es breiter Konsens ist, dass Becks Äußerung abseits jeglicher Arbeitsmarktrealität liegt. Anfangs war das auch beinahe Konsens. Selbst die vier großen Buchstaben hielten sich zurück, Henrico Frank anzugreifen und fragten zunächst mal scheinheilig am 14.12.: Darf ein SPD-Chef das sagen?
Dann kam die Gutsherrennummer mit den acht Jobangeboten, die der neue Dicke aus RP für den HartzIV-Empfänger auftat. Dieser Politker zeigt Einsatz, übernimmt Verantwortung! Wow!
Als Herr Frank dann absagte, zunächst den Jobgipfel mit Kurt Beck, dann den Jobangeboten, kippte die Stimmung. Jetzt ist Herr Frank einer der Sozialschmarotzer, ein Abzocker und noch einiges mehr. Wie beliebt diese Methode der Diffamierung ist, ist beispielsweise hier zusammengefasst. "Wo die Skandalisierung aber erst einmal herrscht, ist die sachliche Debatte dahin", so steht es im eben angesprochenen Artikel und so ist es auch jetzt wieder.
Das Argument, dass Herr Frank für die ihm angebotenen Stellen gar nicht geeignet ist, wird schon nicht mehr ernst genommen ("Noch dreister: Franks Umgang mit den acht Arbeitgebern, die ihn einstellen wollen!"). Dass er nicht autoritätshörig zu Kurt Beck rennt, sondern sich solidarischerweise stattdessen zu einem Arbeitslosentreff begibt, passt "Bild" auch nicht. Und so kann die Springerpresse, ganz ihrer Diskursmacht bewusst, auch recht am Anfang des Artikels behaupten: "Millionen Deutsche fragen sich: Wieso kriegt so einer überhaupt noch Stütze vom Staat?"
So einer, der Abzocker.
Mal abgesehen von allen Widerlichkeiten der Auflagensteigerungstechniken und dem Fehlen eines würdigen Umgangs mit Menschen, funktioniert die Polemik doch nur auf der Prämisse, dass 'ordentliche' Bürger arbeiten wollen und eigentlich auch können, wenn sich die Politik nur richtig dafür einsetzt.
Sich über "Bild" aufzuregen wie nix Gutes, dafür gibt es Gründe genug und die Forderung nach der Enteignung Springers hat auch in rund 40 Jahren nichts an Berechtigung verloren. Aber mensch weiß nicht erst seit heute, wie die "Bild" drauf ist und deshalb schreibe ich hier auch nicht aus naiver Empörung, sondern weil dieser Krampfdiskurs des Boulevards rund um Henrico Frank zeigt, wie weit und nötig der Weg noch ist, bis wir endlich aufhören, Arbeit als einen Wert an sich zu nehmen und alle als asozial und unmoralisch abzustempeln, die nicht arbeiten wollen. Solange die "Bild" noch Auflage damit macht, einem Menschen vorzuwerfen, dass er Arbeit scheiße findet, solange sieht es echt düster aus.
Zur Klarstellung: Arbeit ist von mir hier ganz im Sinne des Beckschen Aktionismus als "abhängige Beschäftigung zum Broterwerb" gemeint. Und so würde ich auch Herrn Franks APPD-Button verstehen, mit dem er die Fäkalie und die Arbeit in einen Zusammenhang stellt. Wissen wir denn, ob er wirklich keinen Bock auf gar nix hat? Oder ist es nur kein Bock auf die aktuellen Arbeitsmodelle? Von der Frage, ob Herr Frank als Individuum denn überhaupt in die bürgerlich-unrealistische Welt des Arbeistmarktes und der Jobvermittlung reintegriert werden will oder kann (Zur individuellen Dimension des Ganzen schreibt Jochen Arntz sehr spanndend), will ich hier ganz absehen.

Während Herr Frank angeblich nicht arbeiten will, will Zvetlana partout kein Geld fürs Arbeiten. Eine Einstellung, die ich überhaupt nicht naiv finde, liebe Zvetuschka, sondern zunächst einmal extrem liebenswürdig. Eine Einstellung die dennoch Gefahren birgt, würde ich meinen. Für Zvetlana, weil sie aufpassen muss, wirklich nicht nur auf ihre Kosten zu kommen, sondern diese auch irgendwie gedeckt werden müssen. Für alle anderen, weil Zvetlana ja selbst schreibt, wer sie mitfinanziert. Wenn diese Menschen keine Kohle mehr reinbekommen, dann kann sich auch Zvetlana das unentgeltliche Arbeiten nicht mehr leisten.
Aber Zvetlana arbeitet ja nebenbei auch gegen Geld. Und dass sie sich Zeit nimmt, um für liebe Menschen Dinge zu erledigen, die diesen helfen und ihr viel bringen, ohne dabei an materiellen Profit zu denken, ist toll. Und ich wünsche mir eine Gesellschaft in der diese Haltung allen möglich ist, nicht nur denen, die spendable Italiener zum Partner haben!
P.S.: Hier habe ich Arbeitsbegriffe bewusst vermischt. Weil hoffentlich klar wird, dass es sich um unterschiedliche Arbeitskonzepte handelt...

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Lieber Broterwerb,
ich weiss, daß mein kleiner Einwurf und meine Einstellung zu DIESEM MEINEN konkreten Fall niemandem schaden, bin mir aber wohl bewußt, daß man mit solchen Modellen (was lernen und Spaß dabei, dann kriegen die eben kein Geld mehr, haben doch genug davon) die Praktikumsmisere angefangen hat. Wie singt schon Funny van Dannen: Ich habe einen Arbeitsplatz vernichtet. Oder zwei.
Ich wollte aber auch eher darauf aufmerksam machen, daß in meinem konkreten Fall keinerlei Notwendigkeit für Mitleid besteht, da ich momentan abgesichert bin, sozial und finanziell. Nicht alle könen das von sich sagen, und wenige können es sich leisten, Aufgaben nur aus Interesse zu übernehmen. Die Altru-Frau

Anonym hat gesagt…

Ich gebe zu, ich habe den Fall des guten Henrico nicht wirklich verfolgt. Ich lese nicht die 4Buchstaben und schaffe nichtmal täglich die Tagesschau.
Trotzdem finde ich es nicht zuviel verlangt sich aufzuhübschen wenn man in dieser Gesellschaft arbeiten und/oder Geld verdienen will oder auswandert und nicht in voller Absicht auf Kosten der Arbeitenden lebt.
Die Gesellschaft wird sich nicht in absehbarer Zeit in den lobenswerten Kommunismus der Schlümpfe oder von StarTreck verwandeln, und somit sind wir alle von Arbeit direkt und indirekt abhängig.

Und ich finde es mehr als dreist, Meetings mit sogenannten Volksvertretern unbegründet abzusagen (welche ja immerhin was ändern könnten) und sich ne "Pressesprecherin" zu nehmen. Viva la Revolucíon, aber bitte doch nicht so...