15.5.07

Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt.

1987 kam ich das erste Mal nach Berlin. Also eigentlich nach Lichtenrade. Familienbesuch bei Studienfreunden meiner Eltern.
Die lebten direkt an der Außenmauer. Wenn wir Kinder zu nah an den antifaschistischen Schutzwall kamen, bellte ein Megaphon aus der Sowjetzone zu uns herüber, dass wir gefälligst das Territorium der DDR verlassen sollten.
Mein Vater hatte während des Studiums so Flausen im Kopf. Unter anderem war er hochschulpolitisch aktiv. Diese Aktivitäten führten ihn in den 1970ern auch das ein oder andere Mal in die Hauptstadt der DDR. Die Grenzübergänge waren teilweise grenzwertig. Leibesvisitation und so. Hat er erzählt.
Als wir 1987 auf der Aussichtsplattform auf der Straße des 17. Juni standen und über die Mauer zum Brandenburger Tor glotzten, hatte ich genug deutsche Teilung inhaliert, dass ich das bewegend fand mit meinen neun Jahren.
Selbst am Wannsee war klar, am andern Ende des Wassers leben ganz arme Menschen in ganz miesen Verhältnissen.

Anfang 1989 kam eine aus dem Osten ausgereiste Familie zu uns ins Dorf. Ein gefundenes Fressen für das Zoneninteresse meiner Familie.
Dann protestierten die Leipziger und andere gingen nach Ungarn in den Urlaub und kamen nicht zurück in den Schoss der SED und zum 40. Geburtstag dachten sich die Genossen aus Wandlitz: Mauer? Ach, geschenkt.

Für mich hatte diese welthistorische Umwälzung fatale Folgen. Nicht nur, dass ich mittlerweile von der widerlichen Arroganz der angeblichen Sieger der Geschichte dauerhaft Magenverstimmungen und dazugehörigen Auswurf bekomme. Nein, die Magenverstimmungen waren erstmal ganz konkret.
Im Sommer 1990 wurde der Familienurlaub an die innerdeutsche Grenze verlegt und Thüringen bereist. Ich kenn mich aus mit Zonenrandgebiet und so. Viel härter aber traf mich die gastronomischen Gepflogenheiten im untergehenden Ostdeutschland. Das Gemüse hatte keine Farbe und schmeckte, wie ich mir Plaste und Elaste so auf der Zunge vorstellte. Die Getränke waren ungenießbar, selbst Mineralwasser schmeckte bitter. Irgendwann hatte auch meine ernährungspolitisch extrem dogmatische Mutter ein Einsehen und kaufte uns aus dem Westen importierte Imperialistenbrause.

Die Einheit kam, die Ehe meiner Eltern ging auseinander, ich war kein Kind mehr. Aber dafür hatte ich Freunde in Berlin. Genauer gesagt in Rudow... Und die waren so westsozialisiert, dass sie mit mir auch immer im Westen unterwegs waren. Bis 2003 kannte ich von Ostberlin exakt und nicht mehr:
Die Freilichtbühne in der Wuhlheide (Ärzte-Konzert)
Ein Kino nahe der S-Bahnstation Prenzlauer Allee
Den Knaack-Club (Catatonia und Viktoriapark-Konzert)
Brandenburger Tor

Dann zog ich an die Spree. Und hatte monatelang ein mulmiges Gefühl wenn ich vom Westen kommend mit der Stadtbahn in den Bahnhof Friedrichstraße einfuhr. Und suchte unterbewusst immer nach den DDR-Soldaten in den dunklen Ecken des S-Bahn-Tunnels unterm Potsdamer Platz. Und konnte es nicht ganz glauben, dass ich von der Bernauer Straße direkt in die Oderberger komme.
14 Jahre nach der sogenannten Wende war meine mental map of Berlin noch zweigeteilt. Nur eins fehlte mir zur Orientierung:

Die Mauer.

Fotos von dem Ding gibt's hier (via).

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Bei mir war das ganz anders. Unabhänig davon, dass ich eben auf der anderen Seite groß geworden bin, habe ich 1992 meine erste Ausbildung in einem Handwerksberuf im berliner Westen begonnen. Auch dadurch, war ich täglich im ehemaligen "Feindesland" unterwegs. Kurz darauf bin ich nach Schöneberg gezogen und das war es dann für mich mit Ost/West. Mitte der Neunziger war die Mauer dann für mich Geschichte. Auch innerlich. Es waren fantastische Jahre...

Anonym hat gesagt…

Ich finds toll, dass gerade in Berlin die Mauer sowas von weg ist aus den Köpfen. Je mehr man sich von der Hauptstadt entfernt, desto präsenter wird der Schutzwall gedanklich wieder. Egal ob West oder Ost...

Anonym hat gesagt…

Ich habe vor 20 Jahren in einem geteilten Berlin gewohnt, für mich ist die jetzige Situation (noch) ungewohnt, aber auch angenehm. Trotzdem: In Vergessenheit sollte die Mauer dort nicht geraten...

Stef, der im Sommer wieder dort wohnen will...