14.6.07

Freie Studienplätze?!

Nach interner Statistik konnte die Freie Universität Berlin im vergangenen Wintersemester nur rund 84 Prozent ihrer Erstsemester-Studienplätze besetzen. Trotz oder wegen der Zulassungsbeschränkungen?

Wenn eine Uni zu wenig Professoren und Hörsäle in einem bestimmten Studiengang hat, kann sie das im Grundgesetz festgeschriebene Recht eines jeden und einer jeden, bei entsprechender Qualifikation einen Studienplatz zu bekommen, beschneiden. Zugelassen werden dann, abgesehen von einigen Ausnahmen, nur diejenigen mit den besten Abiturnoten. Dies Verfahren heißt Numerus Clausus (NC, mehr Infos hier).
Was als Notlösung in Ausnahmefällen gedacht war, ist längst in den allermeisten Fächern an den allermeisten Hochschulen Deutschlands üblich.
Da der NC zwar NACHTRÄGLICH in Form der schlechtesten Abiturnote, die mir noch einen Studienplatz ermöglicht, angegeben wird, aber letztlich durch die Bestimmung einer fixen Zahl an Studienplätzen VOR der Bewerbungsphase festgelegt wird, weiß zur Bewerbungszeit niemand, mit welcher Abinote, mensch an welcher Uni welches Fach studieren kann.

Deshalb ist es nomal, dass sich Studienbewerber an mehreren Unis gleichzeitig bewerben. Fast alle Fächer aller Unis haben so zunächst mal deutlich mehr Bewerber als Plätze. Es wird dann eben nur denen ein Studienplatz angeboten, die entsprechend der NC-Kriterien zuerst dran sind.
Doch von denen wollen gar nicht alle den Platz, da sie zum Beispiel auch bei ihrer Heimatuni eine Zusage bekommen haben. In einer zweiten (manchmal auch dritten und vierten) Runde dürfen dann andere nachrücken. Sollten dann immer noch Studienplätze frei sein, werden diese unter denjenigen Bewerben verlost, die bis dato nicht zum Zuge kamen.


Trotz dieses Verfahrens konnte die Freie Universität Berlin (FU), die für ihre Fächer eine Studienplatzbegrenzung hat, im vergangenen Wintersemester ihre insgesamt 4024 in Eigenverantwortung (d.h. ohne die medizinischen Fächer, die in Kooperation mit der Berliner Humboldt-Uni organisiert sind) angebotenen Studienplätze nicht komplett loswerden. Obwohl es insgesamt über 20.000 BewerberInnen gab, waren am Ende des Semesters nur 3370 Studienplätze belegt. Setzt man diese Zahlen, die aus einer mir vorliegenden FU-internen Statistik stammen, zueinander ins Verhältnis, entspricht das einer Quote von nicht einmal 84 Prozent Auslastung.

Nur wenige Studiengänge der FU sind bezüglich der Erstsemesterzahlen ausgelastet oder leicht überlastet (etwa Politik, Kunstgeschichte oder Nordamerikastudien und ganz besonders die Fächer der Ostasienstudien). Ein Großteil der Fächer hätten noch Kapazitäten gehabt. Auch ein Gros derer, für die die FU mittlerweile NC-Daten veröffentlicht hat (PDF).

Das liegt meines Erachtens auch an der nicht funktionierenden Steuerung der Studierendenzahlen durch die Zulassungsbeschränkungen.
Aus Furcht, mit einer nicht außergewöhnlichen Abiturnote keinen Studienplatz zu bekommen, bewerben sich die meisten StudienanwärterInnen mehrfach. So entsteht ein riesiger Aufwand für die Universitäten, der sich bei Nichtauslastung der Studienplätze einfach nicht rechtfertigen lässt.
Dass Studienplätze begrenzt werden, während Geld für fragwürdige Wiederaufbauten von Preußenschlössern oder G8-Gipfel-Sicherheits-Paranoia vorhanden ist, stinkt schon prinzipiell zum Himmel. Aber im Vorfeld substanzlosen Druck aufzubauen, indem den BewerberInnen vorgegaukelt wird, die Ressource Studienplatz sei knapp, wo sie es nicht ist, dass ist unnötig und peinlich.

Beim genaueren Lesen der Statistik fallen besondere Fälle auf:
Die Physiker bestzen mit 105 ErstsemestlerInnen auf 213 Studienplätzen nicht mal jeden zweiten Platz. In Mathematik sind keine 60 Prozent der Plätze abgefragt worden. Die FU-Informatik hatte als Kombinationsmöglichkeit zu anderen Fächern 30 Studienplätze angeboten, immatrikuliert sind zwei Studierende (Informatik als Solitär dagegen wurde fast vollständig vergeben, nur zwei der 70 dort angebotenen Plätze blieben leer).
Das traurige Trio aus den Naturwissenschaften wird von weiteren Fächern aus anderen Fachgebieten flankiert. Geologie und Frankreichstudien haben ebenfalls großen Leerstand. Die Judaistik kommt auf 22 Prozent Auslastung, ähnlich sieht es bei Italienisch aus. Schlusslicht ist die Griechische Philologie: Dieses Fach wollte letztlich nur eineR studieren. 30 Plätze waren vorgesehen.

Es lässt sich kein eindeutiger Trend feststellen, dass bestimmte Fächer an der FU bei den Studieninteressierten besonders unbeliebt seien. Um genauere Schlüsse ziehen zu können, müsste die Annahme der einzelnen Fächer auch an anderen Universitäten zum Vergleich herangezogen werden. Auch wäre zu vergleichen, wie viele Studienplätze insgesamt wie vielen BewerberInnen zur Verfügung standen. Vielleicht zeigt sich dann ja, dass es deutschlandweit mehr Plätze als Interessenten gibt?
Die FU muss sich aber dennoch zweierlei fragen lassen:
1. Kann es sein, dass in manchen Fächern bewusst, hohe Studienplatzzahlen angegeben werden, um so eine nicht vorhandene Belastung vorzugaukeln?
2. Kann es sein, dass die FU nicht zu den attraktiven Studienorten zählt und BewerberInnen wenn möglich an andere Universitäten gehen?

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