5.7.07

Religion and Peace

Seit Huntington, 9/11, Al Qaida und Co. sind die verwirrendsten Allianzen möglich. Vorzeigefeministin und Zeitungspatriarchen, intellektuelle Juden und Rechtsextreme, gemeinsam hacken sie auf dem neuen Feind für alle rum:
Dem Islam.

Die dilletantischen Bombenbastler, die am vergangenen Wochenende im Vereinigten Königreich für Kawumm sorgen wollten, bieten mal wieder de Rauhfasertapete, an der sich die Retter des Abendlandes/der Gleichberechtigung/des Humanismus/des *anderen beliebigen Wert "an sich" einsetzen* reiben können.

Leider reagieren selbst Menschen, die sonst ein Ausbund an Toleranz, Ausgeglichenheit und Reflektiertheit sind, auf "den Islam" allergisch.
Da werden dann Bodycounts für die Opfer des Terrors angeführt oder Koransuren heranzitiert, die beweisen sollen, dass der Islam Gewalt predige.

Aber Vorsicht bitte:

Es heißt offiziell nicht umsonst "islamistischer Terror" und nicht "muslimischer Terror". Der Terror und die religiös begründete Gewalt geht von einigen wenigen Fanatikern aus, nicht von den Moslems an sich. Würde irgendjemand auf die Idee kommen, die IRA und ihr protestantisches Gegenpart mit den dazugehörigen christlichen Konfessionen gleichsetzen. Hoffentlich nicht.

Natürlich finden sich im Koran sehr gewalttätige Passagen. Aber das ist bei den anderen Schriftreligionen auch so. Hier wie dort lässt sich genug Gegenteiliges finden. Heilige Texte sind einfach nicht stringent. Wer diesen Eindruck erwecken will, malt schwarz-weiß.
Wer Sätze mit dem Argument "der Prophet sagt/verlangt/etc." anreichert, der begibt sich auf die Schiene billiger Stammtischtheologie. Selbst wenn der Prophet irgendwas gesagt hat, dann wurde das wie beim Messias der Kreuzfahrerreligion auch viel viel später aufgeschrieben. Wenn überhaupt haben irgendwelche einflußreichen Geistlichen dem Propheten diesen Wortlaut in den Mund gelegt.

Der Islam ist genauso gewaltätig oder friedfertig wie die meisten anderen Religionen. Es gibt da ganz peaceige Genossen, es gibt Reformer, Liberale, Konservative, Reaktionäre und auch Fantatiker. Vor allem aber gibt es die Masse an mehr oder minder Gläubigen. Wie Katholiken onanieren, verhüten und Amnesty International unterstützen, so leben und arbeiten die meisten Moslems in den Tag hinein und halten sich dabei eher schlecht als recht an die Ge- und Verbote ihrer Religion.
Es sind verschwindend kleine Minderheiten, die aktiv und laut islamistische Positionen vertreten und durchzusetzen Versuchen. Wer anderes glaubt, glaubt der journalistischen Fehlinformation.

Religion ist ein zweischneidiges Schwert. Sie kanalisiert die transzendentalen Erfahrungen der Menschen in sichere Bahnen. Sie ist eine Stütze für Gesellschaften. Sie ist kulturbildend. Sie hat eine starken soziale und barmherzige Seite. Damit hilft sie dem Einzelnen, der ohne dieses Angebot an Sinn und Anleitung oft nicht in der Lage ist, mit dem großen Chaos des Lebens fertig zu werden.
Und sie glaubt, sich gegen andere Religion abgrenzen zu müssen. Sie ist dogmatisch, exklusiv und dadurch intolerant. Auf dieser Seite grenzt sie aus, zerstört sie Existenzen, kämpft um Macht und Einfluss. Und je ohnmächtiger sie ist, desto rabiater wird sie:

So entsteht eine katholische IRA im protestantisch besetzten Irland.

So drängen die reaktionären Christen mit ihrem Kreationismus-Unfug auch in deutsche Schulen. Weil sie gegenüber den Religionen Wissenschaftsgläubigkeit, Hedonismus, Konsum und Neoliberalismus ihr Credo gefährdet sehen.

So kommen die blutigen Auseinandersetzungen verschiedener Religionsgemeinschaften in Indien zustande.

Und so entsteht islamistischer Terror. Weil die reaktionären Prediger (die es immer und in jeder Religion gibt) eine Alternative für junge Männer bieten: Sie geben ihnen ein Feindbild und damit eine Aufgabe, die deutlich mehr Ruhm und Ehre verspricht, als der alltägliche Job. Sie bauen einen Satan auf aus einer kulturellen, ökonomischen und militärischen Übermacht der westlichen Welt, die das Leben dieser Menschen bedroht.
Was ja nicht völlig von der Hand zu weisen ist.
Aber die Prediger hetzen nicht nur gegen den Westen. Ebenso hetzen sie gegen die laizistischen Regime, und stinkreichen arabischen Königshäuser, die ihren Ideen vom Gottesstaat im Weg stehen. Regierungen, die auch nach libertären Maßstäben als schwer akzeptabel gelten...
Und die islamistischen Extremisten bekämpfen sich gegenseitig. Schiiten gegen Sunniten. Weil sie sich nicht auf die Wahrheit einigen können.

Aber wir tun so, als wüssten wir, was den Islam ausmacht? Gebetsmühlenartig kann ich nur wiederholen:
DEN Islam gibt es nicht.
Deshalb kann DER Islam auch nicht schuld sein am Terror. Schuld haben die, die die Zeugnisse dieser Religion so gewichten und auslegen, dass sie daraus Hass und Gewalt predigen können. Solche Menschen gibt es in allen Religionen. Auch Vater und Sohn Bush glaub(t)en, ihn Gottes Namen zu kämpfen...
Wenn überhaupt ist das Problem, dass es überhaupt institutionalisierte Religionen gibt. Würden die Menschen aufhören, bei ihrer Sinnsuche auf angebliche Autoritäten zu setzen, dann würde die dunkle Seite der Religion an Einfluss verlieren.
Dazu gehört aber, dass wir generell aufhören zu sehr auf das Geschrei der anderen zu hören und die Dinge differenziert betrachten.

3 Kommentare:

Cosmo Croc! hat gesagt…

[...]

weil ich seit dem ersten Golfkrieg wußte, dass Neo-Konservative versuchen werden einen großen Krieg anzuzetteln

...

L E S E T I P P bei G R A U B R O T

[...]

Martha hat gesagt…

Und jetzt bitte Stock abholen. HoppHopp ;)
http://zimmer-3.blogspot.com/2007/07/acht-weissu.html

Anonym hat gesagt…

(...) Björn Grau zeigte sich in seinem Blog verwundert über meine klare Stellungnahme in diesem Artikel. Ich habe mir einige Tage Zeit genommen, eine Antwort zu geben, weil es sich um ein sehr emotionsbeladenes Thema handelt; ich aber auch in Ruhe darüber nachdenken wollte, wie ich dazu eine fundierte Antwort geben kann. Denn selbstverständlich habe ich neben meiner rationalen Reaktion auf Reizthemen, auch eine emotionale Beziehung dazu. (...)