12.7.07

Schäuble ganz sicher

Wolfgang Schäuble ist ein Held. Weil er sagt, was andere nur denken. Weil er andere animiert, endlich zu sangen, was sie denken.

Dass Bürgerechte beschnitten werden, wenn jemand Mist gebaut hat, gehört zu jedem ordentlichen Rechtsstaat. Irgendwie muss ja Fehlverhalten sanktioniert werden. Am besten, in dem der Staat böse zum bösen Individuum ist. Dadurch wird das Individuum nämlich wieder gut.
Das Menschenrechte beschnitten werden, ist schon etwas umstrittener, aber naja. So'n bisschen Folter für den guten Zweck wird doch noch erlaubt sein, oder?
Und jetzt wo ein Regierungsmitglied mal "öffentlich nachdenkt", können Parteifreunde gleich mitdenken. "Gefährder" sind, der Name sagt es, Menschen die uns (all rights reserved) eventuell was böses wollen. Das verunsichert uns alle und damit auch die innere Sicherheit. Dagegen muss was getan werden. Am besten werden Gefährder, also Menschen, die eventuell einmal Täter werden könnten, weggesperrt. Ohne Gerichtsprozess natürlich, denn da würde ja herauskommen, dass der Gefährder noch gar nix getan hat, sonst wär er ja kein Gefährder sondern schon Täter. Und fürs Nixtun wird mensch in Deutschland zur Zeit noch "nur" mit Sozialleistungskürzungen bestraft, nicht aber mit Internierung.
Aber der Herr Innenminister geht noch weiter. Er stellt das Existenzrecht in Frage. Vorsorgliches Töten von Menschen ist zwar in Großbritannien seit Jahren erlaubt (und hat in seiner ersten öffentlich gewordenen Anwendung gleich mal nen Unschuldigen erwischt... oops) und auch Schäubles diesbezüglicher Vorschlag von 2007 liegt nicht soweit weg vom finalen Rettungsschuss, der in den meisten deutschten Bundesländern längst möglich ist, aber dennoch gibt es gute Gründe, sich über die Misanthropie des Herrn S. zu echauffieren.

Genauso spannend ist es aber, dass bei allem entrüsteten Echo in den alten und neuen Medien, in der eigenen Partei und bei den anderen sowie der kühlen Reaktion der Kanzlerin auf ihres Vasallen öffentliche Gedanken, zwar die Mehrheit der Menschen in Deutschland Wolferls Ideen für überzogen hält, aber dessen Stuhl nicht wackelt.
Da müssten in einer liberalen Gesellschaft eigentlich sofort alle ehrenwerten Parteien Rücktrittsforderungen stellen. Ein Minister, der seinen Souverän derart behandelt (ihm, dem Volk, seine Rechte massivst beschneidet), müsste per Massendemo aus dem Staate gejagt werden. So ein menschenverachtender Zyniker dürfte keine Minute länger auch nur ein öffentliches Wörtchen von sich geben.
Nun gibt es zwar einzelne lobenswerte Ansätze in diese Richtung, aber sie kommen von einer verschwindenen Minderheit von kritisch denkenden und weltoffenen Menschen. Die Masse ist zwar mehrheitlich dagegen, aber sonderlich aufregenswert finden sie es nicht, was der Herr Innenminister von sich gibt.

Warum?

Weil keiner den Freak ernstnimmt? Weil die Masse aufgrund ihrer strukturellen Behindertenverachtung falsches Mitleid mit dem durch den an ihm verübten Mordanschlag und den daraus resultierenden Folgen ganz dolle Traumatisierten hat und ihm deshalb solche Flausen durchgehen lässt?
Oder weil wieder einmal das "Ich mach ja nix schlimmes"-Argument zieht?

Die Schäubleschen Ideen, wären sie einmal realisiert (lassen wir außen vor, dass einiges längst erlaubt ist, aber immer wieder gut für die Panikmache zu gebrauchen ist), träfen ja nicht den "braven" Bürger. Ich glaube kaum, dass notorische Autobahnraser las "Gefährder" eingestuft werden. Die können noch so viele Todesopfer durch ihr Fahrverhalten verursachen, die werden von der Autobahnpolizei garantiert nie aus ihren Sportsitzen geschossen...
Es träfe die, die angeblich dem "Terror" nahestehen.
Und da der "Terror" gerade ja vor allem aus der muslimischen Welt kommt, sind alle Nichtmuslime fein raus...
Ich könnte jetzt zuspitzen und sagen: Hier werden Sondergesetze zur Diskriminierung und Internierung von Menschen geschaffen, die politisch missliebig sind und größtenteils aus semitischen Kulturkreisen kommen. Wenn so was passiert, hat es ja Tradition, dass in Deutschland kein großer Widerstand zustande kommt. Aber das ist eine böser Gedanke, der kommt mir gar nicht.

Es reicht völlig, darauf hinzuweisen, dass es gerade eben keine klaren Definitionen für "Gefährder" gibt. Alle, die einem zunehmend autoritäreren Staat mißliebig werden, können ganz schnell "Gefährder" werden.
Wenn es dumm läuft auch der Laubenpieper, dessen Kleingartenkolonie dem Bau der "Gefährder-Sammelstelle" im Weg ist und der seine Scholle nicht verlassen will. Wenn der bei der Räumung seiner Laube mit der harke wedelt, sitzt ihm die GSG9-Kugel zwischen den Augen. Dem Gefährder der inneren Sicherheit.

Die große Leistung des Wolfgang S. ist nicht, gefährliche Gedanken zu äußern. Das macht jeder kleine Holger Apfel an jedem Stammtisch. Er hat öffentlich gemacht, dass diese Gedanken kaum einen erschrecken. Sie werden zwar noch nicht für so richtig sinnvoll erachtet, aber zu einem Aufschrei kommt es deshalb auch nicht. Schäuble hat gezeigt, wie klein die Gruppe derer ist, denen wirklich etwas an einem liberalen Staat liegt. Die anderen finden's jetzt ganz ok, würden aber scheinbar auch nicht rebellieren, wenn es schlimmer wird. Sonst würde Schäuble mittlerweile seines Amtes enthoben sein. Für diese Erkenntnis danke ich Wolfgang S.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

sehr schöne sache via pasqualle3.0

Anonym hat gesagt…

Ich hab den Artikel vom Herrn Minister für Staatssicherheit grad im Zug gelesen und bin halb explodiert. Musste den zwischendurch weg legen, sonst hätte ein terroristischer Anschlag stattgefunden...