We are all just prisoners here
Der Bus windet sich aus der Stadt hinaus die Hänge hinauf und langsam, ganz langsam gewöhnt sich meine Nase an den Gestank im Innenraum. Aus der Millionenstadt im ewigen Frühling hinaus geht es über etwas breitere Landstraßen und mit irren Filmen auf dem kleinen Fernseher über dem Fahrersitz mehrere Stunden bis wir in der beginnenden Dämmerung in Riobamba ankommen.
From dusk aber nichtmal 'til dawn bleiben wir im "Pink Flamingo", denn der Zug startet früh. Wir wollen mit dem Ferrocarril, der Eisenbahn, von hier hinab an die Küste, zurück in den Moloch Guayaquil, von wo aus wir vor gut zehn Tagen losgezogen sind.
Es ist 1996, meine Freundin ist in Deutschland geblieben und der Ferrocarril fährt noch auf fast allen Strecken, nur die nach Cuenca ist schon länger verschüttet. Es ist aber auch ein wenig 2000 oder vielleicht sogar 2001, ich muss noch einmal dort gewesen sein. Ich traf den alten Mann wieder. "Chicle! Coca! Naranja! Chocolate!" Und das Gebäck, dass es überall gab, pries er auch an. Und er kannte die junge Frau mit dem typischten aller verführerischen Mädchennamen, die mich ein wenig verzauberte. Nein, jetzt weiß ich es wieder, es ist auch ein wenig 2000. But we do not have that spirit here like 1996.
Wir fahren durch die bizarre Tiocajas-Wüste in den ecuadorianischen Anden, wir umkreisen den Chimborazo, der sich heute schüchtern sehr umwölkt gibt. Der Reiseführer beschreibt die Strecke anders herum, aber so erinnere ich mich. Es ist alles schon weit weg.
Immer wenn der Zug an Ortschaften vorbeikommt, zeigt sich ein gut eingeübtes Schauspiel: Kinder rennen fordernd am Wagen entlang; die Touristen, die sich das organisierte Gefühl aus Unterschichtenfortbewegung und daraus resultierendem Abenteuer gönnen und auf dem Waggon-Dach reisen (also alle), werfen ihnen Bonbons zu, die es zuvor bei den mitfahrenden Händlern billig zu erstehen gab.
Vor der Abfahrt in die Küstenregion halten wir in einem Städtchen, dessen Hauptstraße gleichzeitig Bahnhof ist. Es könnte Alausí gewesen sein, so genau weiß ich das nach so langer Zeit nicht mehr. Some write to remember, some write to forget. Dann geht es zwischen Felswänden und über reißende Bäche immer tiefer ins Gebirge, bis wir an die Teufelsnase kommen, dem Heiligtum der Eisenbahnbauer.
Einen Kilometer tief und mehr geht die Schlucht fast lotrecht hinab. Auf dem Wellblechdach der Waggons gibt es kaum etwas zum Festhalten. Wir stemmen uns gegeneinander auf dem Giebel die Rücken aneinander und pressen die Schuhe gegen das rechtwinklig an den Dachrand geschweißte Stahlblech, um uns sicher zu fühlen, wo doch ein Ausrutscher den sicheren Absturz in den Tod bedeutet. Nur der junge Israeli, der auf Kosten seiner Eltern seit Jahren die Welt bereist, spielt mit dem Schicksal und flätzt sich scheinbar lässig am Dachrand.
Spitzkehre um Spitzkehre sinken wir tiefer aus den Anden hinab hinein in die Feuchte der Küstenregion. Ein schmaler Streifen Dschungel liegt hier, durch den es nun hindurchzufahren gilt. Der kühle Morgen war schon vor unserem Halt in der Stadt, die Alausí gewesen sein mag einer trockenen Hitze gewichen, nun aber ist es schwül und drückend. Die fröhliche von Witzen und Lachen durchwirkte Konversation unserer Nebensitzer aus Köln und Wien (diese Katholiken feiern selbst auf Zugdächern, ein fröhliches Völkchen...) ist beinahe urplötzlich verstummt. Wir sitzen nun schon gut zehn Stunden auf dem Dach dieser altersschwachen Bahnwaggons.
Am Ende des Waldes fahren wir in eine Stadt ein, die früher einmal dank der Eisenbahn eine kurze Blüte erlebt haben muss. Große, schon stark zerfallene Gleisanlagen und Werkstatthallen erzählen davon ebenso wie einstmals herschaftliche Häuser. Und eines der ersten Häuser, die an uns vorbeizogen, hatte lediglich die der Bahn zugewandte Wand des ersten Stocks schneeweiß getüncht. Und mit großen blauen Lettern eröffnete uns das Haus, das wir hier nur schwer wieder fortkommen würden.
Es muss Bucay gewesen sein, wo ich mein Hotel California fand. Das Photo ist verschollen.
1 Kommentar:
die bahnfahrt will ich auch machen!
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