22.8.07

Tiere konsumieren

Der Berliner Zoo hat laut Eigenwerbung die größte Artenvielfalt aller Zoos dieses Planeten vorrätig. Das ist beeindruckend. Der Berliner Zoo ist historisch bedingt auf einem sehr begrenzten Terrain untergebracht. So kommt es, dass jede Bewegung, ob des Bewegungsapparates oder der Sehorgane die Besucher vor neue Viecher stellt. Auf einen kleinen weißen arktischen Teeniestar folgen sofort niedliche Nilpferdjunge. Ohne Pause.

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Der Berliner Tierpark (der Zoo der ehemaligen Hauptstadt der ehemaligen DDR) dagegen hat weniger Getier und viel mehr Platz. Da erwandert sich der Tierfreund seine Attraktionen. Da will das süße Elefantenbaby erstmal gefunden sein.

3 Rosen

So entspricht der Berliner Zoo der Reizüberflutung der modernen turbokapitalistischen Konsumgesellschaft. Eine Attraktion überbrüllt die andere, die schönen guten Waren sind im Überfluß da, am Ende habe ich Bauchweh, weiß aber nicht mehr, was ich zu mir genommen habe. Bildlich jetzt. Ich esse die Tiere im Zoo ja nicht. Aber sie sind so viele, so dicht gedrängt, alle wollen gesehen werden, überall drängeln andere nach, es ist wie ein Supersparmenü. Viel mehr als mensch verträgt, aber es bietet sich so schön an.

Leguan

Der Tierpark hingegen ist schon aufgrund seiner Größe nie in seiner Gänze zu erleben. Er will etappenweise erwandert werden. Weite Wege, große Wiesen liegen zwischen den Tieren, viele Gehege sind größer als üblich. Sie sind immer wieder durch botanische Anlagen unterbrochen.

böser Blick

Gleichzeitig sind die Tiere näher am Besucher. Es ist wirklich ein Tierpark, es hat fast schon etwas safariartiges, wenn Wisente nur eine Pfütze weit entfernt lagern, die Pelikane auf den Besucherwegen herumstolzieren, die Leoparden zum Streicheln nahe sind und die Flugfüchse einem aufs Haupthaar kacken.

Lea

Pelikan II

Deshalb aber im Tierpark den gesellschaftsutopischen Widerpart zum Berliner Zoo zu sehen, ihn als sozialistischen Erfahrungsparcour zu verherrlichen, liegt zwar aufgrund der bis in die angrenzende U-Bahnstation reichende vorbildliche Architektur des kollektivierten Massenerlebnisses nahe, greift aber dann doch etwas zu kurz. Denn der Zoo am gleichnamigen Bahnhof wird ja nicht eng gehalten, weil es dem Tiererlebniskonsum und der daraus resultierenden Profitmaximierung in Form von verkauften Eintrittskarten dient, sondern weil er eben mitten in der Stadt zwischen Bahnlinie, Kanal, öffentlichem (ergo eintrittsfreiem) Park und Stadtquartier keinen echten Platz zur Ausdehnung hat.

Alfred-Brehm-Haus

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Nichts desto trotz: Der Tierpark Berlin überrascht durch seine Weitläufigkeit. Er überwältigt durch seine Größe. Und er zeigt durch seine größtenteils vor der Wende entstandenen Architektur, dass die DDR-Zooplaner in Sachen Tierhaltung und Tierpräsentation absolut auf der Höhe der Zeit, wenn nicht sogar derselben etwas voraus waren. Er bietet Ruhe und die Möglichkeit, sich auf das Erlebnis "exotsiches Tier" einzulassen. In mir hat er einen neuen Fan.

hollandbridge

(Die Bilder sind aus einer kleinen von Reihe meiner Tierpark-Fotos)

5 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hhm, wie oft war ich da in meinem Leben? Mindestens jährlich (Wandertage, Kindergeburtstage, Verabredungen), also bestimmt schon 30 Male.

Anonym hat gesagt…

Dito, die Pioniernachmittage nicht zu vergessen. Schön is et da. Immer noch.

Anonym hat gesagt…

Sach mal: Du warst doch im Tierpark!

Björn Grau hat gesagt…

Winkelsen: Ja. (???)

Anonym hat gesagt…

Zoos sind gewerbliche Haftanstalten, in denen über die Belustigung von Gaffern Gewinn erwirtschaftet wird. - Ava Odoéména