10.11.07

Keine Hinterzimmer?

Die Lokführer streiken wieder. Immer wieder. Weil die Lokführer- gewerkschaft GDL die Reallohn- verluste, die miserablen Dienstpläne und die Unvereinbarkeit von Familie und Beruf nicht wahr haben will. Und weil die Arbeitgeberseite keinen Bock hat, ernsthaft auf die Forderungen der GDL einzugehen. Während der SPD-Vorsitzende längst den Arbeitgebern den Rücken stärkt, die Medien keine große Lust haben, umfassend über die Problematik zu berichten, und die Kanzlerin als ranghöchste Vertreterin der Unternehmenseigner ihren obersten Bahnangestellten im Regen des Tarifkonflikts stehen lässt.

Mich wundert nur bedingt, dass die Menschen in diesem Lande so wenig Solidarität mit den Lokführern zeigen. Sinn und Zweck von Streiks kennen seit der neuen Mitte der Sozialdemokratie und der Dauerpropaganda der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft die wenigsten, eine einseitige Berichterstattung und eine ungeschickte Pressearbeit der Gewerkschaft tun ihr übriges.

Was mich aber wundert, ist, wie wenig inszeniert dieses Schauspiel scheint.
Mein Vater war am Ende seines kurzen Lebens auf der anderen Seite sozusagen. Er saß in der Geschäftsleitung eines mittelständischen Unternehmens der Metallindustrie. Und er hat mir mit einer Trefferquote von 100% Monate vor Ende der Tarifverhandlungen sagen können, wie hoch die Lohnerhöhungen sein werden, die die Arbeitgeber mit der IG Metall ausmachen werden. Er wusste vor jedem Warnstreik bis aufs Komma genau, was am Ende rauskommen wird. Woher wusste er das? Vom Betriebsratsvorsitzenden des Unternehmens. Warum wusste er das? Weil Tarifverhandlungen und Arbeitskampf nur die Inszenierung dessen waren, was die Metallbranche mit der zuständigen Gewerkschaft zuvor im Hinterzimmer friedlich ausgekungelt hatte. So läuft Tarifpolitik eigentlich in Deutschland.

Nur nicht bei der Bahn. Warum nicht? Weil die GDL nicht Teil der großen Seilschaften ist? Weil der Bahnvorstand meint, er könne auf die Arbeitnehmer pfeifen? Ich weiß es nicht.
Die Kungelei, von der mein Vater zu berichten wusste, hat nicht nur Schattenseiten. Der einzelne kommt sich zwar zurecht verarscht vor, wenn er merkt, sein Engagement im Arbeitskampf ist nur Show. Aber andererseits wissen bzw. wussten die Arbeitgeber eben auch: Ohne die Arbeitnehmervertreter geht gar nix. Die Mitbestimmung der Arbeitnehmer wird so einerseits für den einzelnen zur Show (und mir als Freund der Basisdemokratie tut sowas weh), andererseits ist es selbstverständlich mit den Arbeitnehmern als am Wertschöpfungsprozess beteiligter Gruppe ordentlich zu verhandeln. Diese Intransparenz beinhaltet die Gefahr, dass sich korrupte Gewerkschaftsfunktionäre über den Tisch ziehen lassen und Dinge akzeptieren, die die Basis nie mitmachen würde, dürfte sie ernsthaft mitbestimmen.
Im aktuellen Tarifstreit bei der Bahn sieht das offensichtlich anders aus. Das ist gut, weil die GDL sich nicht über den Tisch ziehen lässt und sich nicht mit minimalen Lohnerhöhungen dazu bewegen lässt, für die Bahnprivatisierung zu sein. Das ist aber auch befremdlich, weil die Arbeitgeberseite offensichtlich alles versucht, um die Gewerkschaft auszubooten und nicht mal an einer Hinterzimmerkungelei Interesse zu haben scheint.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Die Hinterzimmerkungelei fand gestern in einem Flughafenhotel statt.
Und heute werden 4 Tage Streik angekündigt. Weil sich keine von beiden Parteien irgendwohin ziehen lassen will, schon gar nicht über den Tisch...
Bahn und GDL spalten das Land und graben garantiert demnächst ein Loch in meine persönliche Haushaltskasse. Wenigstens da scheinen sie sich einig zu sein.