Bekehrt
Anfangs war ich ja nur bedingt begeistert von der neuen Konsens-Band für das linksalternative Bio-Bürgertum. Und auch wenn ich mit der Zeit durchaus Gefallen an der Neon Bible fand, ich hatte durchaus Bammel vor dem Arcade-Fire-Konzert gestern in der Berliner Columbiahalle. Der orchestrale Sound geht mir ganz stimmungsbedingt völlig unterschiedlich ins Ohr. Der kann immer noch auch mal nerven. Und was, wenn die zehn Musiker nicht harmonieren? Was, wenn der Sound Schrott ist?
Die Vorband ließ Schlimmes befürchten. Das Schlagzeug viel zu laut, der Gesang im Brei der Klänge untergehend. Ich hätte Wild Light, diese folkige Daueranleihe bei den Konsensbands der 1990er (R.E.M., U2, a-ha) auch bei gutem Sound wohl nur ok gefunden, aber so war's halt ...naja... irgendwie war's egal.
Doch dann:
In einem wunderschönen Setting mit Lichtsäulen, runden Minileinwänden, Filmprojektionen auf den Bühnenhintergrund und Podesten hatten Arcade Fire ein beinahe theatrales Bühnenbild, in dem sie herumwuseln konnten. Beleuchtet wurde das Spektakel angenehm monochrom. Kein buntes Lichtgewitter, sondern für verschiedene Stimmungen dominante Grundfarben. Da hat mal das Lichtdesign nicht nur dick aufgetragen, sondern echt was gedacht.
Der Sound war richtig gut. Genauso das Zusammenspiel der Band. Jedes Percussionspielzeug, jeder Flötenton, jede Geige und so weiter waren einzeln aus den bombastischen Arrangements herauszuhören, ohne aus dem Gesamtklang herauszufallen.
Was mir seit jeher extrem gut gefällt, ist, wenn Bands ihren Stücken live richtig Druck verleihen. Arcade Fire hat diesbezüglich alles richtig gemacht. Viel Emotion, viel Energie, dabei mehr auf die Musik konzentriert als auf die Show. Richtig gerockt haben sie. Das war so dicht, so mitreißend, da verzeih ich gerne die redundanten und seit ca. 25 Jahren zurecht als "aaaaalt" markierten Rückkopplungsorgien, die jeden zweiten Song beendeten.
Kompakte eineinhalb Stunden haben Arcade Fire ihre Messe zelebriert. Und auch wenn dieser Kalauer zu naheliegend ist für die Tour zur Neon Bible, trifft er es dennoch. Sie haben die Freude an der Musik und am Rocken gefeiert. Mit großen Melodien, mit Propagandainstrumenten wie dem Megafon, mit dem metaphysischen Sound von Orgel, Bläsern und Streichern. Und das alters- und outfittechnisch recht heterogene Publikum gab die dankbaren Jünger und feierte mit. Weil das Konzert zum Tanzen einlud. Und weil Kreischen und Jubeln viel mehr Spaß macht, als cool sein.
Auch wenn ich ihre Alben nicht alle Tage hören kann, so eine großartige Live-Band habe ich schon lange nicht mehr erlebt. Zu so einer Messe gehe ich gerne nochmal.
2 Kommentare:
und du sagst echt, dass der malcolm es auch gut fand?
ja, hat er gesagt.
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