9.1.08

Durch die Nase hören

Liebeskomödien sind ja per se erst mal langweilig. Zwei kabbeln sich und zicken rum, bis sie in der Kiste landen. Dann geht nochmal was schief, aber am Ende finden sie sich. Klassische Doppelwegstruktur, seit rund 900 Jahren immer das Gleiche.
Gute Liebeskomödien können also nicht von ihrer Geschichte leben, sondern von deren Ausgestaltung.
Deutsche Liebeskomödien laufen meist mittwochs auf Sat1. Oft fangen sie witzig an, allermeist enden sie unendlich uninspiriert. Amerikanische Liebeskomödien sind perfekt inszeniert, oft brilliant gespielt, haben aber gerne eine arg konservative Message. Liebeskomödien sind ein schwieriges Feld. Wenn sie dan auch noch von einem amerikanisierten Deutschen in einem stylischen Berlinbild abgefilmt werden, einen zu perfekt auf den klassischen SWR3-Hörer abgestimmten Soundtrack haben und an allen Ecken und Enden Produkte namhafter Hersteller plaziert werden, dann ist schwierig ein Euphemismus.

Und dennoch: Till Schweigers Keinohrhasen sind super. Schweigers schauspielerisches Repertoire war noch nie sonderlich vielfältig, aber als Regisseur und Produzent hatte er schon früh ein Händchen für im positiven Sinne nette Geschichten und Witz. Knockin' on heavens door war seinerzeit ein Lichtblick im Deutschen Kino, der Eisbär war cool und gerade, weil er eine Tarantino-Kopie war, sympathisch.
In Keinohrhasen spielen eine Fülle an deutschen Stars und Sternchen und eine komplette Kita derart lustvoll und freudig auf, dass den zum Film interviewten Mimen unbedingt geglaubt werden muss, dass mit Schweiger zu arbeiten großen Spaß macht. Jürgen Vogel hat hier wohl eine der witzigsten Rollen, die es gibt. Achten sie auf Silikonimplantate im Arsch. Rick Kavanian brilliert als Boulevardzeitungschefredakteursarschloch. Matthias Schweighöfer hat nichts mit dem menschlichen Hinterteil zu tun, er gibt einen wunderbar trotteligen und im liebevollen Sinne doofen Jungmann. Barbara Schöneberger beweist in einer Miniszene mal wieder großartigste Selbstironie. Sowieso erlaubt die Idee, dass der Protagonist Klatschreporter ist, einige herrliche Seitenhiebe auf das deutsche Jet-Set, dessen im Film auftretende Figuren ordentlich Spaß am sich selber darstellen haben durften.
Es ist ein wenig das Ocean's 11,12 und 13-Dingens, dass diesen Film so ansehnlich macht. Sorge dafür, dass ein paar nette Leute eine gute Zeit haben, und sie revanchieren sich mit größter Spiellust.
Kommt dann die Gabe hinzu, bis ins Detail Bezüge zwischen einzelnen Erzählmomenten herzustellen und vielfältig Running Gags zu streuen, dann braucht es nur noch ein paar lustige und von hintersinnig bis anzüglich changierende Dialoge und die eingangs erwähnte ewig gleiche Struktur des Genres füllt sich derart mit Leben, dass das Ergebnis in den besten Momenten schon fast an die wunderbaren amerikanischen Screwball-Komödien der 30er- und 40er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts heranreicht.
Dem Film ist anzusehen, dass Schweiger ihn mit viel Liebe zum Detail geschrieben, gedreht, geschnitten und produziert hat. Er liefert gute 90 Minuten beste Unterhaltung und Spaß. Da hat ein großer Junge eine wunderschön inszenierte Story rund um zwei große Berliner Themen gebastelt: Wir wären gern die Hauptstadt (der A-, B- und C-Promis) und wir haben die stylischsten Kitas (im Prenzlauer Berg). Der Film ist so schön, dass sogar die extrem jungmännisch ausgefallenen Danksagungen und der englischsprachig gehaltene Abspann des großen Jungen Till verzeihlich sind.

Nicht unerheblichen Anteil an der Schönheit des Films hat Nora Tschirner. So sehr ihr Auftreten als gelangweilt bis genervte Göre mit etwas zu langem Pony in Funk und Fernsehen nerven kann, wie sie ernste oder uncoole Figuren gibt, ist überzeugend. Spielen kann sie. Diesmal ist die Berliner Göre in Keinohrhasen die Kollegin, Mitbewohnerin und Freundin der Tschirner-Figur und wird von Alwara Höfels einnehmend sympathisch verkörpert. Tschirner dagegen spielt Anna, die etwas weltfremde graue Maus und Erzieherin. Ein hässliches Entlein, aus dem natürlich am Ende ein Schwan wird. Aber einer, der sein Gefieder nicht sonderlich putzt und so erfrischend uneitel bleibt. Anna hat es mir angetan. Entschuldigungen vom Blatt abzulesen ist an sich absurd genug, Anna aber macht es so, dass ich sie vom Fleck weg heiraten würde, wäre sie ein wahrer Mensch. Aber wer ist das schon? Björn ist jedenfalls verliebt in Anna.

10 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Da geh ich auch noch hin. Wegen Nora. Hach Nora,...

Anonym hat gesagt…

ihr armen verblendeten menschen. aber durch DEN pony kann ja auch keiner mehr richtig sehen, hihi...

Anonym hat gesagt…

pfff. Wenn schon, dann bitte "Ihr armen verblendeten Männer."
Hach Nora, und Dein Pony erst... :P

Anonym hat gesagt…

aber frau anne so konziliant? ich hätte ja jetzt ein markiges fire&brimstone nora bashing erwartet … ;)

Anonym hat gesagt…

ich will den auch gucken. trotz till. wegen nora. so!

Unknown hat gesagt…

Der Bjoern ist in Anna verliebt.
Er hat sie im Film gesehen und würde sie am liebsten..... aber erst mal im richtigen Leben treffen und gleichzeitig herausfinden, was ein wahrer Mensch ist.
Bitte mal durchzählen, welche Rollen wir so spielen. Auf fünf kommt jeder - mindestens. Man kann sie wechseln.Aber ganz ohne geht gar nicht.
Im ganzen Leben nicht!Und nicht einmal da.
Geht's in dem Film auch um Synästhesie? Aus der Sicht der Nase hören.....
Film wird bei nächster Gelegenheit geguckt!
Danke für die Inspirationen, Björn.

(Hat einer von Euch den Grau schon mal in echt gesehen? *fg)

Anonym hat gesagt…

Tja, der Anfang mit Jürgen Vogel ist wirklich sehr gelungen, aber das Ende, die Geschichte mit dem Taxifahrer, die zeugt von wahrer Größe, wenn es darum geht, sich stilvoll zu revanchieren! Allein diese Szene macht die 90min davor sehenswert :-)

Anonym hat gesagt…

Den Herrn Grau? Nein, der versteckt sich immer. Manchmal hinterm Baum. Dann hustet er wie Iggy Pop in dem alten MTV-Spot, der nur einen kahlen kleinen Baum im Winter zeigt, die Bildunterschrift "Iggy Pop versteckt sich" und sonst nichts.

Hatschi.

Anonym hat gesagt…

@cara:
ich schon, aber nur in den anderen vier Rollen ;-)

@das Brot:
sach mal alter, willst du wieder zur Zeitung? Übst du wieder füas Foilitong? ;-)

soganzallgemein:
manche Filme muss man im Kino gesehen haben.... Liebesdramöletten in welcher Form auch immer wohl eher selten... Da die Budgets für n ordentlichen Action- oder SciFi-Kinokracher aus deutschen Landen leider die nächsten 10 Jahre eh nich möglich machen, freu ich mich als Kino-Freund wie auch als Arbeitnehmer über jedes gute und ordentlich produzierte Machwerk! Gerade auch vonne Till!! Der kann datt!!
...ach wäre es schön, wenn bei uns die Autoren auch mal aus ähnlichen Gründen streiken würden.... Naja, aber vorher erschießen wir alle Mindestlohnverfechter und zahlen ganz selbstverständlich 20-30 EUs (sattt 5-10) für nen normalen Haarschnitt....
ups... tschuldignung... ich schwuf ab... war n büschn poliddisch... ;-)

der G.

Anonym hat gesagt…

.... und wegen Nora?? Naja, jeder wie er will....
Wenn überhaupt wegen Barbara... aber die kann ich ja bald wieder regelmäßig bei talken anglotzen.... :-p