30.3.07

Schlachtfest

Irgendwann einmal gab es eine positivistische Epoche. Damals galt, das Geschichte faktual wahr ist. Vernunft sollte den Mythos ersetzen.
Dieses Geschichtsbild ist zwar seit geraumer Zeit überholt, geistert aber immer noch in viel zu vielen Köpfen rum. Deshalb meinen diese Köpfe dann auch, sich ärgern zu müssen, wenn sich eine Comicverfilmung, die die Schlacht an den Thermophylen zur Grundlage hat, nicht an die angeblichen historischen Fakten hält.
Die sind zwar umstritten, aber egal, denn es geht gar nicht um Geschichtsdoku.
Es geht darum, einen 2500 Jahre alten Heldenmythos vom Kampf der 300 Spartaner gegen eine persische Übermacht aus seiner Comicfassung in eine filmische Sprache zu übersetzen.

Deshalb zum Mitschreiben: „300“ nach Frank Millers Büchern in der Regie von Zack Snyder ist eine Arbeit an einer Arbeit von unzähligen Arbeiten am Mythos, kein Geschichtsbuch-Comic!
Wie aber wird der Mythos aktualisiert?
Nun, Spartas König Leonidas muss sich gegen die korrupte Politikerkaste und die perversen Priester einer alten Religion stellen und zieht für Freiheit, Vaterland und die Liebe der wunderschönen Königin mit 300 Getreuen durch wehende Weizenfelder in die Schlacht. Diese Kämpfer sind muskulöse, aufrechte Männer mit klaren Augen und ordentlich Ehre im Leib. Und ihre Gegner sind die Armeen der Perser: Tunten, Tuaregs, Schwarze, Vollverschleierte, Transvestiten und Monster.

Mythosaktualisierungen fordern geradezu heraus, sie auf aktuelle Geschehnisse zu beziehen. Und im ersten Moment ist alles klar: Georg Bush junior, der Zupacker, der seinen ersten Präsidentschaftswahlkampf ganz bewusst als Antipolitiker führte, kämpft tapfer mit seinen Mannen gegen den islamischen Terrorismus (Wo liegt Persien?). Das alles gefilmt in und digital verfremdet zu einer Bildsprache, die sich fleißigst bei Riefenstahl und Co. bedient.
Alle aufrechten Antiamerikaner wissen jetzt, warum sie den Film schlecht finden.
Aber: Der Bezug zum Nahost-Geschehen funktioniert auch genau anders herum: Der Spartanerkönig mit seinen Kristallaugen und dem schwarzen Bart (Osama?) hat eine kleine Truppe reiner Herzen um sich, um die die wahren Werte gegen die dekadente Übermacht der Weltmacht zu verteidigen. Die Weltmacht Persien sieht nämlich genauso aus, wie die USA in der Propaganda der Islamisten: Verhurt, unmoralisch, imperialistisch. Und sie ist den Spartanern technisch überlegen mit Kampfmaschinen und Feuerwaffen. Den Persern bleibt nur der Märtyrertod (ob sie auch mit Jungfrauen im Jenseits belohnt werden?).

Kurzum, es ist bei etwas Nachdenken einfach zu kurz gegriffen, diesen Film auf den sogenannten Kampf gegen den Terror zu übertragen. Obwohl oder gerade weil er das böse aus dem Mittleren Osten kommen lässt. Denn das Persien im Film ist das Unbekannte, das Übermächtige, die Angst und der Trieb.
Und das alles kommt logischerweise aus Gegenden jenseits des eigenen Kulturkreises, denn die hat mensch nicht durch Sehen und Unterwerfen gezähmt. Naja, im Westen Europas ist Meer, woher soll dann in europäischen Mythen der Antike, also zu Zeiten einer nicht so entwickelten See- oder Luftfahrt, das Unbekannte kommen, wenn nicht aus dem Osten?
Und auch der historische Kern der „300“-Story besagt: Perserarmee zieht nach Westen und trifft dort auf griechische Kleinstaaten.
Wird der Mythos eingebettet in Erzählung, wie dem Epos der Antike oder den mittelalterlichen Ritterromanen ist dieses das Eigene bedrohende Unbekannte größer, reicher, magischer und sowieso superlativischer als das Eigene. Das eröffnet dem Comic seine Spielwiese. Hier können fantastische Welten angesiedelt werden, die den Gegensatz zum kargen und erdigen Sparta liefern.

In dieser Gegensätzlichkeit liegt der Reiz des Films. In „300“ prallen fremde Welten aufeinander und es ist eine Lust, ihrem Reiben zuzuschauen. Denn beide Seiten werden comicgemäß völlig überzogen dargestellt und genauso überzogen sind die Reibungsverluste bei diesem epischen Clash of Cultures. Da fließt das Blut in Strömen, die Leichen werden zu haushohen Festungen aufgetürmt, Speere in Gegner gestoßen und wieder herausgezogen, Köpfe abgeschlagen usf.
Aber im Gegensatz zum echten Krieg, in dem Tote nicht noch Ewigkeiten mannhaft stehen, bevor sie in Slow Motion bei voller Körperspannung niedergehen, sondern samt und sonders elendig krepieren, folgt das alles einer Choreographie, die dem Rhythmus des Films und dem Witz verpflichtet ist. Als der tapferste der jungen Spartaner sein Leben lassen musste, lachte das Publikum bei der Berlinale-Vorführung aus vollem Hals über die Überzeichnung seines Todes, der, nebenbei bemerkt, auch durch den eigenen Machismo verursacht wird. Solch eine Inszenierung von Heldentum will und kann nicht ernst genommen werden.
Sie ist Unterhaltung, Trash im besten Sinne. Und letztlich funktioniert sie auch als Entlarvung der Heldengeschichten, die uns die Kriegstreiber aller Lager führ wahr verkaufen wollen.

4 Kommentare:

Cosmo Croc! hat gesagt…

Für wunderschöne Königinnen lohnt es sich ja wenigstens, zu kämpfen.

Aber für Öl, Absatzmärkte und patriachale Onanier-Clubs ?

Na, da fällt mir besseres ein ;-)
don't give up!

Anonym hat gesagt…

nette geschichte. aber zu wenig das gefühl, dabei gewesen zu sein. der schluß ist wieder ganz passabel.



*grins*

Björn Grau hat gesagt…

Hut ab, zveta. Ich hab ca. 90 Minuten gebraucht, bis ich den kapiert habe.

Anonym hat gesagt…

Das mußte einfach raus, sorry.