Arbeitshypothese
Die Berliner Zeitung hat nicht nur unangenehme Werbeformen auf ihrer Webseite sondern gestern auch einen Artikel im Blatt, der das Modell des bedingunslosen Grundeinkommens mal wieder vorstellt und gleich einen Überblick bietet, wer sich das in der deutschen Politik wie vorstellt.
Interessant dabei ist für mich vor allem, wer am meisten Schwierigkeiten mit dem Konzept hat.
Grob gesagt, geht es darum, dass jedeR einen Grundbetrag vom Staat bekommt, ohne dafür irgendetwas leisten zu müssen. Einkommen wird von Lohnarbeit abgekoppelt.
Das finden im Prinzip PolitkerInnen aller Couleur richtig. Nur die Sozialdemokraten und die Gewerkschaften stehen dem Ding eher reserviert gegenüber. Die haben da nämlich ein ganz altes Relikt aus ihren Gründungszeiten in den Köpfen.
Als (ehemalige) Vertreter der Arbeiterklasse bleibt da die Auffassung, dass sich Arbeitsleistung lohnen muss. Der Umkehrschluss davon: Faulenzerei ist den Arbeitervertretern tendenziell ein Ärgernis.
Eine solche Denkungsart zeugt nicht nur von Misanthropie, geht sie ja automatisch davon aus, dass mit der Befreiung vom Arbeitszwang alle sofort aufhören, irgendetwas Wertschöpfendes zu tun. Sie zeugt auch davon, dass sich dieses politische Spektrum nur schwer in eine postindustrielle Zeit hineindenken will, in der es klassische Arbeiterarbeitsplätze in einem Land mit hoher Automatisierung in der Fertigung und global gesehen immer noch hohen Löhnen kaum noch gibt.
Mindestlohn ist eine Forderung, die ich unbedingt unterstütze. Aber der greift nur für die Arbeitsstellen, die es gibt. Ein Ende des Arbeitszwang in der heutigen Form hingegen würde ganz neue Formen von Beschäftigung geben.
Selbst wenn wir alle nicht mehr für Geld arbeiten müssten. Solange wir Dinge konsumieren und nutzen wollen, die nicht von jedem Individuum selbst hergestellt werden können, müssen wir wieder Jobs schaffen. Und dann werden die Jobs, die keiner machen will, wohl deutlich besser bezahlt werden, als die, um die sich alle reißen.
So stelle ich mir das zumindest im Groben vor.
Aber selbst wenn das bedingungslose Grundeinkommen nicht funktionieren sollte, die Haltung vieler Sozialdemokraten und Gewerkschafter zdazu eigt, wie gestrig deren Idee von Lebensunterhalt bestreiten und damit ihr Menschenbild ist. Sie suchen nach der Vollbeschäftigung in einem kontrollierten Kapitalismus, der sich globalisiert schon lange nicht mehr um Arbeitnehmerschutzgesetze einzelner Staaten schert.
Ob die Quadratur dieses Kreises möglich ist?
Mein gutkatholischer und konservativer Onkel hat wenige Jahre vor seinem 60. Geburtstag den Verschleiß seines Körpers durch die Jahrzehnte als Industrieschlosser zu spüren bekommen. Als Dank für seine Arbeit hat ihn der mittlerweile globalisierte Konzern aufgrund seiner Leiden für arbeitsunfähig erklärt und ihn in entlassen. Jetzt ist er kurz vor dem Rentenbeginn noch arbeitslos geworden.
Heute hat er mir erzählt, dass er seit einiger Zeit zu Gewerkschaftsveranstaltungen geht. In Schwaben als Konservativer. Ob die noch eine Perspektive für ihn haben?
2 Kommentare:
Lassen wir mal das sozialdemokratische Menschenbild beiseite, das gibt es leider auch nicht mehr, genausowenig wie eine Sozialdemokratie.
Die Gewerkschaften sind die Lobbyisten der Arbeitbesitzenden und nicht der Arbeitslosen.
Aber die Forderung von Grundeinkommen und Mindestlohn ist doch ganz leicht zu verknüpfen.
Ausgehen von einem Mindestlohn von 9 Euro pro Stunde und einer Wochenarbeitszeit von 38 Stunden ergibt sich ein Mindestmonatslohn.
Davon 80 Prozent sind das Grundeinkommen.
Bei Mindestlohn übernimmt der Staat die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers, bei Grundeinkommen auch die Rentenversicherung.
Als mißtrauischer Mensch möchte ich allerdings allen Leuten mit Grundeinkommen eine Weiterbildungspflicht aufdrücken. Dazu hätte ich gerne ein komplettes Lehrangebot über alle Lehrangebote in Deutschland per Internet und lokale Tutorien.
Qualifikation schadet nicht und die Leute bleiben im Fluß.
Klingt erstmal gut.
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