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Eine Frau sitzt auf einem der kargen Sitze im kalten Flur einer Intensivstation und kann den Tod ihrer Schwester nicht fassen.
Ein Film. Nur ein Film. Ein schöner sogar.
Ich wache auf, es ist viel zu früh am Morgen. Sie weckt mich: "Komm mal ans Telefon. Dein Vater wurde vom Notarzt abgeholt."
Herzinfarkt, Reanimationsversuche, Notoperation.
Ich ärgere mich. Tags zuvor war es spät geworden, ich hätte ausschlafen können. Herzinfarkte sind doch heute keine große Sache mehr. Was soll der Terz? Einige Stunden später sitze ich dennoch im Zug.
Es heißt, wenn er in einigen Tagen aufwacht, kann alles wieder werden. Ich verbringe Stunden an seinem Bett. Weniger als die anderen, aber dennoch viele Stunden. Wir hatten gerade angefangen, Differenzen auszuräumen. Ich sage im soviel. Spiele im den "Straight Story"-Soundtrack vor, erzähle im von den alten Autos, die er so liebt.
Draussen ist Fußball-Weltmeisterschaft, noch vor wenigen Tagen habe ich mir im Berliner Olympiastadion beim Viertelfinale hinter Lehmanns Tor vor Freude die Stimmbänder ruiniert. Jetzt verliert Deutschland in den letzten Minuten der Verlängerung das Halbfinale und mir kommt das so unwirklich vor.
Der Zustand stabilisiert sich, ich fahre nach Hause. Bin keine 24 Stunden da und nehme den nächsten Flieger zurück. Das Fieber und die Krämpfe sind kaum in den Griff zu bekommen. Die Ärzte werden täglich vorsichtiger mit ihren Prognosen. Sein Bruder, mit dem er seit Jahren zerstritten ist, kommt an sein Bett und heult sich die Seele aus dem Leib.
Wieder zurück, kaum zuhause geht's erneut retour.
Er atmet wieder selbstständig. Aber die Bilder aus dem Computertomographen sprechen eine grausame Sprache. Es kann sich nur noch um Tage handeln. Ich weiß es und hoffe doch.
Nach vielen Stunden an seinem Bett gönne ich mir eine Pause. Gerade will ich ins Bett, als meine Stiefmutter anruft. "Kommt ihr bitte."
Das kleine Mädchen, das im Film seine Mutter verloren hat, sagt: "Manchmal vergesse ich sie."
Klar gibt es viele Stunden, in denen ich nicht an ihn denke. Aber es vergeht dennoch kein Tag ohne einen Moment der Erinnerung. Von Anfang an auch schöne. Auch ärgerliche. Und immer wieder traurige.
Monatelang konnte ich nicht mal in die Nähe der Oldtimerwerkstatt bei mir ums Eck gehen, die er immer besuchte, wenn er bei mir war. Mehr als ein halbes Jahr habe ich mich nicht in die alte Heimat getraut. Lange Zeit habe ich das Programm gewechselt, wenn Intensivstationen in Radio oder TV Thema waren.
Geht alles wieder. Tut aber immer noch weh.
Viele Menschen haben bis heute viel Beistand geleistet. Die Familie hat in der Krise alle Feindschaft beiseite gelegt. Die Frau an meiner Seite war immer da. Alte Freunde aus Schulzeiten haben sich dort um mich gekümmert. Die Freunde und Kollegen hier genauso.
Das war soviel Gemeinschaft und Unterstützung, dass jedes Dankeschön hilflos bleibt.
Trotzdem erinnere und spüre ich alles nur allein. Bald jährt sich alles. Letztes Jahr hat der Sommer eine schmerzhafte Seite bekommen.
Als es vergangene Woche zum ersten Mal wieder ordentlich warm wurde, hat das weh getan.
Wo ich doch den Sommer so mag.