Die Methode der vorbeugenden Verfolgung
Nach ihrem eigenen Bild erkennt die Polizei in ihrem Gegenüber das, was sie selber hat: Planung, Taktik, Einsatz und einen Führer. Führung und Gehorsam, diese Merkmale, die die Polizei erst zu einer aktionsfähigen Organisation machen, sind in der Projektion auch die Merkmale der Demonstranten. Um sie zu zerschlagen, müssen ihre Führer frühzeitig dingfest gemacht werden. Dann bricht der Protest zusammen und zurück bleibt ein Haufen handlungsunfähiger Individuen, die geduldig den Anordnungen neuer Autoritäten sich fügen.(Eckige Klammern zeigen meine Kürzungen an, die runden Klammern sind im Zitat bereits vorgenommene und dort markierte Kürzungen.)
Z[...]"Wir sind (...) zu dem Entschluß gekommen, daß, wenn wir den Störern den Kopf nehmen, damit möglicherweise dieser Störungsgruppe die Führung nehmen und dadurch eine Ausweitung der Demonstration verhindern..."
[...]
Die Logik ist eindeutig. Die Polizei sucht Rädelsführer. Auf sie werden Spezialeinheiten angesetzt [...].
Auch wenn es sehr ähnlich klingen könnte, das ist nicht nach den Großrazzien der vergangenen Woche veröffentlicht worden. Der Text stammt aus dem Kursbuch 12 (S. 108f., erschienen bei Suhrkamp) von 1968. Es geht dabei um das Verhalten der Berliner Polizei am 2. Juni 1967. Der persische Schah war zu Besuch und das passte einigen nicht. Diese Einigen gingen auf die Straße, wurden von der Polizei zusammengeprügelt. Und am Ende gab es einen Toten.
Benno Ohnesorg war der erste Tote in der Auseinandersetzung zwischen dem bundesdeutschen Staat und seinen KritikerInnen. Ohne den Terrorismus der RAF gutheißen zu wollen, angefangen mit dem Morden haben die Staatsorgane in der BRD. Das erste Opfer des deutschen Herbstes war ein 27jähriger, dessen politisches Engagement sich im Rahmen einer evangelischen Studentengemeinde entwickelte und pazifistisch geprägt war. Von wegen die Anständigen
Ja, der 9. Mai 2007 endete ganz und gar nicht wie der 2. Juni 1967. Aber die Begründungen der Polizei damals und heute ähneln sich doch frappierend. Und wenn ich den Herrn Schäuble recht verstehe, dann war das nur der Anfang.
Wenn zum Juni hin die Grenzkontrollen rund um die BRD wieder stattfinden, werden G8-Gegner gar nicht erst ins Land gelassen. Nach welchen Kriterien werden sie ausgesiebt? Hoffentlich nicht nach der Art, nach der die Grenzer auf Drogen kontrollieren. Dann würden wohl alle irgendwie alternativ aussehenden Menschen draußen bleiben. Es lebe die deutsche Leitkultur!
Die angedrohte Vorbeugehaft könnte lustig werden. Da treffen wir uns dann alle wieder? Zumindest diejenigen, die sich nicht auf Latschdemos (Link via) beschränken lassen wollen.
Gut geplanter ziviler Ungehorsam braucht Zeit für Vorbereitung. Da ich da bisher nicht dabei war, werde ich wohl nicht effektiv am Zaun rütteln.
Aber ich werde jedeN decken, die/der's tut. Durch zeitgleiches Latschen ob genehmigt oder nicht, durch Sitzblockaden, durch Solidaritätsbekundungen, durch Einzahlungen in die dann nötigen Rechtshilfefonds,... Da waren jetzt schon mindestens zwei strafbare Möglichkeiten drin.
Ehrlich gesagt, ich weiß noch nicht, was ich in der ersten Juni-Woche genau veranstalten werde. Aber sicher nicht Däumchen drehen.
Bis dahin versuche ich, meine Wut auf Schäubles Paranoia und die Provokationen des Polizeiapparats zu kontrollieren, sonst rufe ich irgendwann doch noch dazu auf, Steine zu werfen.
Der 2. Juni 1967 ist ein Tiefpunkt der Geschichte der BRD. Hoffentlich wird die Woche ab dem 2. Juni 2007 kein weiterer. Die Entwicklungen der letzten Tage trüben meine Hoffnung.
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