11.6.07

Copland

Mittwochabend. Wir sitzen an der Volxküche im Camp Rostock und genießen die letzten Bissen unseres Abendessens. Die Stimmung ist gut, alle freuen sich darüber, dass die zehntausend Blockierer rund um Heiligendamm erfolgreich waren.
Der Helikopter kreist jetzt schon seit Minuten über uns. Mit jeder Runde kommt er etwas tiefer. Wahrscheinlich kann die Besatzung schon sehen, welche Gemüsesorten in meinem Teller schwimmen.
Draussen vor dem Camp fahren Einsatzfahrzeuge der Polizei vor. Sie füllen die komplette Straße. Ich werd langsam nervös.
Jemand kommt im Laufschritt vom Campeingang zu uns nach hinten und berichtet, dass das Camp komplett von Polizei umstellt ist.
Wir gehen zu unserem Zelt, kramen Ausweise und ähnliches heraus, damit wir das Zeug bei uns haben im Fall der Fälle. Die Polizei hat sich in voller Kampfmontur in den nicht genehmigten Teil des Camps gestellt und scheint dort irgendwas zu suchen.
Die Rotoren des Helis machen einen ungeheuren Lärm, wir riechen den Benzingeruch seiner Abgase. Er ist jetzt nur noch wenige Meter über uns.
Die Polizei will eine Campdurchsuchung. Sie habe Hinweise auf Waffen im Camp. Wenig später lautet das Argument, sie suchten bestimmte leute, wollen nur in die Gesichter der Leute schauen. Ein weiterer Grund sei, dass ein Teil des Camps nicht genehmigt ist.
Nach einer Stunde ziehen sie unverrichteter Dinge ab. Sie hatten keinen Durchsuchungsbeschluss.
Ob es Zufall war, dass sie just in dem Moment kamen, als das Camp-Plenum stattfinden sollte, auf dem die Aktionen für den kommenden Tag Thema gewesen wären?

Die Blockaden haben die Nacht über gehalten. Wir nutzen den Donnerstag, um aus Solidarität und Neugier zu einer der Blockaden zu wandern. Alles easy. Die Polizei begleitet uns auf dem Weg durch die Demoverbotszone, aber sie hindert uns nicht. Rund ums Camp gibt es lockeren Plausch mit den relaxten Beamten.
Nur die sporadisch an uns vorbeiziehenden Bundeswehrhubschrauber irritieren.

Freitagmorgen wache ich schlecht gelaunt auf. Das erste, was ich höre, ist das Brummen des Hubschraubers. Das geräusch nervt langsam. Ich will nach Hause. Wir packen. Gehen zur S-Bahn. Vor der Station eine Polizeikette. Sie filzen alles und jeden. Auf meine Ansage, ich müssten den Zug bekommen, antwortet der Polizist: "Ihr Problem." Danke.
Zug weg. Laune aggressiv. Jetzt gehen wir doch auf die Abschlussdemo. Jetzt erst recht. Egal, dass der Wanderucksack und das Zelt nun für einen halben Tag schwer auf dem Rücken lasten.
Am Rostocker Hauptbahnhof werden nur noch diejenigen gefilzt, die besonders punkig oder autonom aussehen. Die dafür umso ruppiger. Polizisten beleidigen junge Menschen. Sie schubsen ausländische Protestierer herum, wenn diese nicht sofort den auf deutsch gebellten Anweisungen folgen. Vereinzelt werden Menschen zum Verhör in die Einsatzfahrzeuge gezerrt. Sitzt eine verdächtige Person im Auto, stellen sich sofort ein Dutzend Bereitschaftspolizisten um das Fahrzeug, um eine Sichtkontrolle des Geschehens zu verhindern.
Auf der Abschlussdemo berichtet ein Sprecher den Demonstrierenden von dem zu diesem Zeitpunkt längst offiziell bestätigten Vorfall, dass ein Zivilpolizist versucht hat, die Blockierer vor dem Zaun in Heiligendamm zu Gewalttaten anzustacheln. Einige der den Demozug bewachenden Bereitschafgtspolizisten lachen höhnisch.

Auf der Heimreise treffen wir eine Bekannte, die zwei Tage in Sicherheitsgewahrsam saß, weil sie in der Nähe einer angezündeten Barrikade auf den Zufahrtsstraßen von Heiligendamm unterwegs war.
An jedem Bahnhof auf der Strecke nach Berlin, der nicht nur zwei Bauernhöfe abdeckt, stehen Bereitschaftspolizisten auf den Bahnsteigen. Die Streifenpolizisten, die am Berliner Hauptbahnhof auf die aus Rostock kommenden Züge warten und aufpassen, dass wir alle das gebäude brav verlassen, sind richtig süß im Vergleich zum Gros ihrer Kollegen, die in und um Rostock im Dienst waren.

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