28.8.07

Kauf Dir die Kindheit zurück

Ich gehe ungern auf Flohmärkte. Ich empfinde es als unangenehm, all den Individualisten dabei zuzuschauen, wie sie die Eierbecher, Brotdosen und Stehlampen ihrer Kindheit zusammenraffen. Ich muss nicht in den 1980ern stecken bleiben. Mir stehen auch die Sportjacken von damals nicht. Und gebrauchte Schuhe sind Gift für die eigenen Knochen. Die machen fiese Haltungsschäden.
Gebrauchtes Computer-Zubehör zu kaufen, kommt mir ebenfalls nicht in den Sinn. Ich bin kein Sammler, sondern Nutzer. Alte Bücher kaufe ich mitunter, aber dann doch lieber im Antiquariat, wo das Zeug nicht Wind und Wetter ausgesetzt ist. DIe Säure im Papier ist schon zersetzend genug.

Wenn mich irgendwas interessiert, dann sind es Platten. Altes Vinyl mit guter Musik.
Und während die Damen in den Schmuckkästchen und Kleiderhäufen grabbelten, schaute ich mir an jenem Sonntag die feilgebotenen Tonträger durch. Bei den Plattenprofis fand ich nichts, was ich mir leisten wollte. Also schlenderte ich weiter. Zwischen den Brandenburgern, die am Rand des Marktes ihr eigenes verschrumpeltes Obst anboten für die Bewusstkäufer unter den Flohmarktgängern, befand sich der Stand einer älteren Dame, die neben jeder Menge Nippes auch ein paar Platten in den tödlichen Schein der Sommersonne stellte.
Mitleidig schenkte ich den alten Scheiben meine Körperfülle als Schattenspende, um sie vor allzuschneller Verformung und Schmelze zu schützen. Flüchtig blickte ich den Kram durch. Schlager, eine Benefizaufnahme eines beliebigen Kirchenchors zur Errettung einer Barockorgel, etwas Stadtkapelle, ach ja. Bis ganz hinten mein Herz aufging und ich mich in die dunklen Plüschpolster vor der noch dunkleren Schrankwand meines Onkles zurückträumte, wo ich mit Cousin und Cousinen während der Pfingstferien (die Herbstferien verbrachte ich bei der Verwandschaft mit Landwirtschaft) an Regentagen herumlungerte, um zuerst Critters zu schauen und dann die Platten des Onkels zu hören. Mit Vorliebe diese eine Single:

Direktballade

Für einen Euro dreht sie sich jetzt auch auf meinem Plattenspieler.

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

du hattst noch richtig kartoffelferien?
dachte diese form des kindesmißbrauchs sei mit meiner mutter generation ausgestorben.

gott der gerechte, an den hab ich auch schon mindestens 15 jahre keinen gedanken verschwendet...

der kunsthonigbeethoven ist ja mit das schlimmste überhaupt, da kamen dann auch dinger wie rondo veneziano u.ä. nach, brrr

rieu, je regrette rieu!

Anonym hat gesagt…

Äh...