19.11.07

Was Amoklauf, Magersucht und Radiohead miteinander zu tun haben

Irgendwie ernster als früher scheint das neue Album der "die ärzte" mit dem schön programmatischen Namen "Jazz ist anders". Aber das muss nicht so sein! Denn für sieben Euro kann der geneigte Fan auf den Konzerten der besten Band der Welt die "Economy"-Version des neuen Albums käuflich erwerben.
Mein guter Freund Brodowksi hat es mir ermöglicht, schonmal in diese Perle deutscher Sangeskunst hineinzuhören. Und ich bin begeistert.
Hier werden die wirklich wichtigen Dinge angesprochen!

Da werden zunächst einmal die drängenden Fragen der russischen Energiepolitik verhandelt, dann aber erweist sich, dass "die ärzte" immer noch wissen, wie sie die Jugend erreichen:
Der zweite Song preist die Magersucht, der dritte bringt den Nachwuchspunkern die große deutsche Elektroband "Scooter" näher. "Lasse redn (Economy)" beginnt mit einer großartigen Reminiszenz an den Hardrock der 1980er und führt dann zu einer dialektischen Auseinandersetzung mit dem gezielten Töten der Menschheit durch Handfeuerwaffen und durch fachmännsiches Zerteilen. Fröhlich geht es mit einer Verbeugung vor Mano Chao weiter. Die Vorabsingle Junge bekommt endlich den Text den sie verdient (und nebenbei einen wesentlich geileren Beat und eine viiiieeeel bessere Gitarrenmelodie). Hier wird den Eltern der Vorwurf gemacht, der alle künftigen Amokläufern durch den Kopf geht: Warum habt ihr mich gezeugt? Man hätte mich an die Wand spritzen sollen! So geht Gesellschaftskritik.
Das Album ist noch nicht einmal halb vorbei, da bricht rabiat die harte Wirklichkeit des Künstlerdaseins in die Kunst selbst ein. Der bandinterne Amoklauf findet statt, ausgelöst durch einen eitlen Streit über die Qualität der Arbeit des Kollegen.
Gewaltverherrlichend, todessehnsüchtig und dennoch immer an den ökonomischen Bruchstellen der Gesellschaft, so zeigt sich "Jazz ist anders (Economy)". "Death sells" ist so ein Schlagwort, die Nebeneinkünfte des großen Blonden durch Anteile an großen Einkaufsketten zeugen ebenfalls darum, dass es nur noch um den schnöden Mammon geht. Darüber täuschen auch Belas Versuche, die Imperfektion zu perfektionieren, oder der Aufruf, die Wale zu retten, nicht hinweg. Die Elvis-Imitation tut zwischendrin ihr übriges, um den Größenwahn der Altstars zu belegen.
Und so kann es nicht ausbleiben, dass Intrigen zwischen den Künstlern überhand nehmen und es zur Absetzung des ehemaligen Bassisten kommt. Prepare for the return of the Sahnebonbon! Aber zuvor beweist ein astreines Bluegrass-Stück noch einmal, warum "die ärzte" dort sind, wo sie sind.
Verzeihung, es muss heißen: warum "die ärzte" waren, wo sie waren. Aber dazu solltet ihr das letzte Stück von "Jazz ist anders (Economy)" hören.

Und nur wer genau hinsieht, entdeckt auch die wirkliche Sensation des Albums. Wer den CD-Text ausliest, wird entdecken, dass "Jazz ist anders (Economy)" der dritte Teil der Radiohead-Trilogie ist, von der alle dachten, sie sei nur ein Doppelalbum aus "OK Computer" und "In Rainbows".

"Jazz ist anders (Economy)" erweist sich als das größte aller GROßEN Alben. Völker, besorgt Euch dieses Album! Nie gehörte Texte, Ausnahmelyrik, Melodien für Melonen. DER HAMMÄR!
Und falls jetzt irgendjemand meint, dieses geniale Album bei ebay oder so ersteigern zu müssen, dann sach ich nur: SIEBEN Euro kost die Platte auf der Tour und sie ist NICHT rar. Sie wird es in großen Mengen geben. Wer jetzt schon mehr als sieben Euro zahlt, ist selbst schuld!

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Ha!

Und ich darf behaupten, einer der wenigen Menschen zu sein, der das schon seit "Uns geht's prima" weiß!

Ich kenne sogar den Milchsong und das Zitroneneis. Gut, nä?!

Björn Grau hat gesagt…

Was weißt Du, lieber MC? Däs "die ärzte" die beste und größte und grenzdebilste Bänd der Wält sind? Darum ging's jetzt aber nur nebenbei... ;-)

Björn Grau hat gesagt…

Aber ansonsten bin ich als Nachgeborener natürlich neidisch auf Deine Erfahrungen als Fän der ersten Stunde!