5.3.08

Tunnelblick

Wer durch den Sciencetunnel der Max-Planck-Gesellschaft geht, soll "Eine Reise in die Zukunft wissenschaftlicher Entdeckungen" machen können verspricht die Homepage zur Ausstellung, die noch bis zum 13. April täglich von 9:30 bis 17:00 Uhr im Thaersaal der Humboldt-Uni neben dem Museum für Naturkunde in Berlin zu sehen ist.
"Neueste Forschungsthemen", vor allem die Arbeit der naturwissenschaftlichen Max-Planck-Institute, mutieren hier zum "Erlebnis", so die Eigenwerbung.
Dieses Erlebnis begann für mich mit einer Ernüchterung. Der Tunnel ist gar keiner. Er besteht aus 12 einzelnen Stationen, die sich je unter einer Art Sonnensegel befinden, dass ein wenig an die Doppelhelix der menschlichen DNA erinnern könnte. Wären diese Stationen linear aneinandergereit, ergäbe dies eventuell den Eindruck eines Tunnels, doch dafür ist im Saal kein Platz und so bilden sie in Berlin einen einfachen Rundgang.

Nach der Ernüchterung kommt dann die Enttäuschung. Die Ausstellung bietet vor allem viel Text. Ob dieser auf von hinten beleuchteten Plastikschautafeln steht oder durch Leinwandprojektionen zu den Wissenshungrigen kommen soll, die energieintensive und scheinbar multimediale Aufmachung versteckt nur dürftig, dass hier wie im Museum des 19. Jahrhunderts vor allem durch Lesen Wissen erworben werden kann. Das Konzept der Informationsvermittlung ist beim Sciencetunnel also nicht neu, sondern nur neu aufgemacht. Was das Beleuchten und Projizieren an Strom kostet, die vielen Buchstaben hätten auch auf Papier ihren Job getan…
Wenn dann die Texte bei aller sichtbaren Anstrengung, sie verständlich zu formulieren, nur so von Fachvokabular und Fremdwörtern strotzen, dass es wohl deutlich mehr als nur eine verjährte Gymnasialbildung und die regelmäßige Lektüre der Wissenschaftsseiten der Tageszeitung braucht, um sie zu verstehen, dann trägt das auch nicht dazu bei, dass das Volk in Massen über den aktuellen Stand der Wissenschaft aufgeklärt wird.

Ein nicht unbedeutender Teil der zum Text mitgelieferten Filme krankt daran, dass ihnen zum einen der Ton fehlte. Das ist beispielsweise dann besonders blöde, wenn durch den Einspieler die Intelligenz von Hunden gezeigt werden soll. Woher weiß ich bei einer stummen Sequenz, was dem Versuchshund im Film gesagt wurde, bevor er augenscheinlich das Richtige apportiert hat? So erschließt sich kein Versuchsaufbau.
Zum anderen werden die Filme in einer miserablen Qualität auf die Leinwand geworfen. Wer sich an das Bedienelement stellt, über welches das Filmmenü einer jeden Wissensstation gesteuert wird, hat verloren. Diese Person kann zwar über den gewählten Spot entscheiden, steht dann aber viel zu nah an der Leinwand, sodass nur noch grob verpixelte Sequenzen zu sehen sind. Am Rand der Stationen stört meist einfallendes Licht die Projektion, so dass nur jeweils vereinzelte die Chance haben, die kurzen Trailer zu sehen. Mir ganz persönlich war selbst der Trackball am Bedienelement zu schnell und zu ruckelig eingestellt, aber das verbuchen wir mal unter persönlicher Geschmacksache.

Die wenigen wirklich interaktiven Exponate sind gerade einmal eine gute Hand voll: wie das Fahrrad, auf dem sich eine Fahrt durch Tübingen in Lichtgeschwindigkeit simulieren lässt, das chaotische Pendel oder der Computer, der gesummte Melodien erkennt. Die sorgen dann aber auch für ein Aha-Erlebnis. An einem Punkt wird aber leider beim Versuch der interaktiven Wissensvermittlung gar großes Potential verschenkt. Eine mikrobiologische Struktur darf man in der Simulation betrachten, dabei wird (zumindest bei Menschen deutlich unter 1,70m) die Blickrichtung gescannt und man kann mit Kopfbewegungen die Position der Struktur verändern. Wie diese Blickrichtungserkennung funktionert, wird aber nicht vermittelt. Einerseits konsequent, denn an der betreffenden Station ging es auf keinen Fall um die (physikalischen?) Hintergründe dieser Blickrichtungserkennung. Andererseits hätte mich das interessiert.

Die "neueste Forschung", die im Sciencetunnel von den kleinsten Teilen der Welt über den menschlichken Körper, unsere Psyche und Verhaltensmuster hin zum Planeten, dem Klima und dem Universum reicht, ist ein weites Feld. Ein spannendes sicherlich auch. Das vermittelt die Ausstellung. Und sicher macht sie hier und da auch neugierig auf einzelne Themenfelder. Aber sie selbst bleibt einigermaßen uninformativ und altbacken. Schade. Ambitionierte Wissenschaftssendungen im Fernsehen, wie bei nano auf 3sat oder quarks&co beim WDR vermitteln da mehr.

Genauso wie die Begleitausstellung der den Scienctunnel mitunterstützenden Bayer AG. Die beginnt mit einem Imagefilm, bei dem sie natürlich auch versuchen, ihre agrochemische Abteilung in vorteilhaftes Licht zu rücken. Nun berührt Agrochemie großer Konzerne immer die kritischen Felder der Genmanipulation und des Eigentums am Saatgut und hat als profitorientierter Zweig der globalisierten kapitalistischen Industrie nicht von Haus aus den Ruf, "gut" zu sein, vermeidet im konkreten Fall aber auch geflissentlich die kritische Sicht auf das eigene Geschäftsfeld. Und so ist für den Sciencetunnel nicht nur grundsätzlich sondern ganz konkret wegen der Begleitausstellung zu fragen, was eine solche Firmenpropaganda neben einer Ausstellung einer gemeinnützigen Wissenschaftsgesellschaft in einem Gebäude einer staatlichen Universität zu suchen hat. Und welchen Einfluss das Sponsoring durch diesen Konzern auf die Inhalte der Hauptaustellung hatte. Auch diese zeichnet sich nicht durch einen besonders vielfältigen Blick auf moderne Wissenschaft aus. Positvismus allüberall.
Aber zurück zur Ausstellung der Bayer AG: Die handelt letzendlich nach dem Imagefilmchen von Medikamenten, deren Darreichungsformen und Produktion. Und hier gibt es jede Menge auszuprobieren. Probepipettieren zum Beispiel. Oder ein Quiz, welche Darreichnungsform für welches Medikament geeignet ist.
Wieso funktioniert das didaktische Konzept der Firmenpropaganda so gut, während der Sciencetunnel so dunkel bleibt? Wahrscheinlich einfach dumm gelaufen, aber trotzdem schade. ich hätte gerne mehr gelernt im Sciencetunnel.

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