13.5.08

Studentenmädchen

Der ältere Kollege, der seit einigen Wochen mit mir ein Büro teilt, hat Anfang der 1960er-Jahre studiert. Seit ein paar Jahren ist er in Rente und macht aber dennoch tagein, tagaus, das, was er seit Jahrzehnten macht. Er ediert 300 bis 400 Jahre alte Bücher. Er liest die Originale, schreibt sie ab, erstellt einen Kommentar und liest das alles Korrektur. Seit er in Rente ist, macht er außerdem angeblich mittwochs manchmal Tagesausflüge mit seiner Frau. Allerdings nicht an den Mittwochen, an denen ich im Büro bin. Denn dann ist auch er da und liest seine Korrekturfahnen.

Es hat zwei Jahre gedauert, bis er anfing, mich auf dem Flur zu grüßen. Erst kurz vor unserem gemeinsamen Bürobezug hatte er mich auf dem Schirm. Es hat danach noch einmal fast zwei Monate gedauert bis wir uns vergangene Woche über ein Guten Morgen und Tschüss hinaus das erste Mal unterhielten. Beziehungsweise er mir eine erstaunliche Entdeckung mitteilte. Ich kam gerade vom Mittagessen (wir saßen also auch an diesem Tag schon einige Stunden im Büro zusammen), als er von seinem Tagwerk aufsah und sprach:
"Wissen sie wieso es so viele Frauen gibt, die Germanistik studieren? Also früher war das nicht so. Aber neuerdings fällt mir auf, dass hier ja nur noch Frauen durch die Gänge laufen. Ich habe das ja lange nicht mitbekommen, aber seit '97 mache ich ja hin und wieder Klausuraufsicht und da hat das angefangen, dass da auf einmal mehr Frauen waren. Wissen sie woran das liegt?"
Ich wusste keine Antwort.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Das Ende einer aufkeimenden Freundschaft. Er wird dich nie wieder etwas fragen, du weißt die Antwort sicher wieder nicht. Fragst du ihn etwas? Gib nicht auf!